Kommentar Protestaktion „Ende Gelände“: Jeder Schritt zählt

Die Kohleproteste in der Lausitz haben ihr Ziel erreicht. Der Tagebau steht still. Dabei hat der wichtige Part gerade erst begonnen.

Ein Banner hängt über einer Wiese

Forderungen mit Wiesenkulisse: Banner auf dem Klimacamp in der Lausitz Foto: dpa

Im Filmgeschäft hätte es wahrscheinlich einen roten Teppich gegeben. Die Aktivisten, die seit Freitag in der Lausitz für ein Ende des Kohleabbaus demonstrieren, wurden empfangen wie gern gesehene Gäste: Viele von ihnen haben, seitdem sie unterwegs sind, noch keinen einzigen Polizisten gesehen. Und der Tagebau, den sie besetzen wollten, war schon bei ihrer Ankunft verwaist. Sie spazierten gemütlich hinein, kletterten dann zu hunderten auf die Kohlebagger – und manche richteten sich häuslich ein und blieben über Nacht. Der Energiekonzern Vattenfall hat das einzig Richtige getan: bereits im Vorfeld kapituliert. Er kann die Auseinandersetzung mit den tausenden Menschen nicht gewinnen. Dass auch die Polizei mit größter Zurückhaltung vorgeht, ist politisch klug und sachlich angemessen.

Die Bilder, die der Energiekonzern RWE im vergangenen Jahr aus dem besetzten Tagebau Garzweiler sendete, wollte niemand noch einmal produzieren. Ziel erreicht, auf Wiedersehen: Das Protestbündnis von „Ende Gelände“ könnte den Bass aufdrehen und nach Hause fahren.

Tatsächlich aber beginnt die politisch brisante Auseinandersetung in der Lausitz erst mit dem heutigen Tag – denn für diesen Samstag haben die Aktivisten ein ambitioniertes Programm. Sie haben durch eine Blockade den Betrieb des Kohlekraftwerks „Schwarze Pumpe“ eingeschränkt. Strafanzeige wurde gestellt. Darin steckt politische Sprengkraft. Das Wort Versorgungssicherheit kommt in Deutschland kurz vor dem Amen in der Kirche.

Wie können ein paar hundert oder wenige tausend Aktivisten ein Kraftwerk in die Knie zwingen? Nun: Die Kohle, die dort zum Verbrennen genutzt wird, trifft fortlaufend auf Kohlezügen frisch ein. Die Vorräte am Kraftwerk reichen offenbar nur für einen Tag. Wenn alle Zufahrtsschienen über 24 oder auch 48 Stunden blockiert sind, könnte Vattenfall ein Problem bekommen – und dieses Problem wird heute verhandelt. Mit Sitz-, Steh- und Ankettblockaden und einem Polizeieinsatz, bei dem jedes Vorgehen, jeder Schritt, auch politisch bewertet werden kann. Deswegen stellt sich die Frage: Wird die Polizei weiterhin Däumchen drehen?

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