Kommentar Polizisten fotografieren: Der Staat muss transparent sein

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt, dass Demo-Teilnehmer Polizisten filmen. Das ist faktisch eine Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei.

Ein Polizist trägt eine kleine Kamera auf der Schulter

Nicht nur die Polizei filmt, sie muss sich auch Fotos von Seiten der Demonstranten gefallen lassen Foto: dpa

Wer Polizisten bei der Arbeit filmt oder fotografiert, muss deshalb nicht mit Repressalien rechnen und nicht einmal seine Personalien angeben. Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Göttingen entschieden, der die Macht der Bilder weiter demokratisiert.

Ursprünglich war die zunehmende Überwachung durch staatliche und private Videokameras angstbesetzt. Sie galt als Ausdruck eines präventiven Überwachungsstaats. Es galt: Wer Straßen und Plätze anlasslos filmt und die Bilder sogar speichert, betreibt nichts anderes als eine Vorratsdatenspeicherung.

Dennoch hat sich die zunehmende Bildgebung im positiven Sinne als zwiespältig erwiesen. Immer wieder fangen Überwachungskameras auch ein, wie Polizisten rechtswidrig Gewalt anwenden. In den USA entstand so sogar eine große Diskussion über Rassismus bei der Polizei.

Auch die zunächst als Modellversuch geplanten Helmkameras für Polizeibeamte werden eine dialektische Wirkung haben. Eigentlich sollen sie Polizisten vor Übergriffen schützen, indem zum Beispiel Personenkontrollen aufgezeichnet werden. Aber vermutlich werden die Kameras genauso Bürger vor Übergriffen von Polizisten schützen oder diese zumindest gelegentlich besser aufklärbar machen.

Präventive Polizeikontrolle

Früher stand bei Gewalteskalation mit Polizeibeteiligung regelmäßig Aussage gegen Aussage, und Polizeizeugen galten – warum eigentlich? – als besonders glaubwürdig. Jetzt gibt es aber immer häufiger Bilder, die die Versionen des polizeilichen Korpsgeist widerlegen.

In diesen Kontext passt es, dass das Bundesverfassungsgericht nun auch die privaten Kameras der Bürger als präventives Mittel der Polizeikontrolle zulässt. Da heute fast jedes Mobiltelefon eine Foto-Funktion hat, sind Kameras auch in Bürgerhand allgegenwärtig.

Dabei hat Karlsruhe das Filmen der Polizei nicht nur aus konkretem Anlass für rechtmäßig erklärt, etwa wenn ein Polizist mutmaßlich illegal handelte, sondern generell. Es könnte ja sein, dass Bürger die Bilder später einmal als Beweis vor Gericht benötigen.

Damit hat Karlsruhe faktisch erlaubt, dass Bürger – ins Blaue hinein – eine Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei anlegen. Das muss man dennoch nicht ablehnen, schließlich wird hier der Polizist nicht als Bürger, sondern als Teil der Staatsgewalt überwacht. Es geht also nicht um die Person, sondern um ihre Rolle. Bürger müssen nicht transparent sein, der Staat schon.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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