Kommentar Olympiavergabe: Eine logische Wahl

Tokio wird die Olympischen Spiele ausrichten, Fukushima zum Trotz. Denn für die IOC-Funktionäre stellen soziale Unruhen das größere Risiko dar.

Die machen wenigstens keinen Ärger: Noch-IOC-Chef Jacques Rogge und Japans Präsident Shinzo Abe (Mitte). Bild: ap

Der strahlende Sieger heißt Tokio. Soviel Bosheit muss erlaubt sein. Die schlechten Nachrichten, die in den letzten Tagen angesichts der neuesten Rekordstrahlenwerte in Fukushima um die Welt gingen, haben der japanischen Bewerbung um die Olympischen Spiele 2020 nichts anhaben können. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) votierte mit deutlicher Mehrheit für die japanische Hauptstadt und gegen Istanbul und Madrid.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Bewerberstädten hatten Experten bis zuletzt prognostiziert. Und anders als sonst wurden nicht die Stärken, sondern die Schwachpunkte der Kandidaten gegeneinander abgewogen, als gelte es, das geringste Übel ausfindig zu machen.

Die Eindeutigkeit der Entscheidung ist insofern das Überraschendste. Zumal Tokio in diesem engen Rennen die aktuellsten Negativschlagzeilen produzierte. Weil der japanische Premierminister versicherte, er bürge persönlich dafür, dass die Lage in Fukushima unter Kontrolle sei, scheinen sich die Sportfunktionäre nun auch nicht mehr vor Erdbeben zu fürchten, die die Gefahrensituation verschärfen könnten.

Größeres Unbehagen bereitet den Sportfunktionären offenbar die sozialen und politischen Erschütterungen in Spanien und in der Türkei. Aus Sicht des IOC droht dort wohl der wahre Supergau. Die jüngste Protestwelle in Brasilien, die sich gegen die mittlerweile wahnwitzig kostspielig gewordenen Großevents, die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 wandte, hat möglicherweise dieses Gefühl bestärkt. Schließlich geht es auch darum, die spendablen Sponsoren bei der Stange zu halten.

Das IOC tut sich immer schwerer auf der Suche nach dem richtigen Terrain. Die Vergabe der Spiele an nicht-demokratische Staaten (Peking 2008, Sotschi 2014) hat das Prestige dieses komplexen Gebildes schließlich auch nicht gemehrt. Zum einen werden die Gewinne kaltblütig maximiert – in den letzten Jahren konnten die Rücklagen von 100 auf 900 Millionen Dollar gesteigert werden – zum anderen tritt das IOC mit einem Sendungsbewusstsein auf, das mit dem Papst durchaus in Konkurrenz treten könnte.

So gesehen ist Tokio die logische Wahl. Die Protestkultur in diesem Lande ist gering ausgebildet, die Industrie zahlungskräftig, das Organisationsgeschick groß. Das 220 Kilometer entfernte havarierte Atomkraftwerk von Fukushima ist dabei ein vom IOC in Kauf genommenes Risiko. Das dieses nicht gerade überschaubar ist, sagt viel über die Lage des IOC aus.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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