Kommentar NS-Spuren bei der GEW: Ehrlichkeit vor der eigenen Tür

Dass es der linken Lehrergewerkschaft GEW gelungen ist, ihre NS-Vergangenheit zu verdrängen, wirft kein gutes Licht auf die Organisation.

Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stehen neben einer Fahne mit der Aufschrift GEW

Rechtsradikalen Tendenzen den Kampf ansagen, aber die eigene Nazivergangenheit nicht aufarbeiten Foto: dpa

Allzu spät begann in jüngster Zeit die Durchleuchtung staatlicher Institutionen hinsichtlich personeller Kontinuitäten von der Nazizeit bis zur Bundesrepublik. Vom Bundesnachrichtendienst bis zum Auswärtigen Amt diagnostizierten die damit betrauten Wissenschaftler, dass schwer belastete Herrschaften ihre Karrieren problemlos fortsetzen konnten. Verwundert es da, wenn nun auch die Gewerkschaften mit ihrer braunen Vergangenheit konfrontiert werden?

Ja und nein. Denn der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund hat zwar 1933 zunächst versucht, sich den neuen Machthabern anzudienen; der SPD-nahe Verband wurde dennoch verboten. Er war zwar nicht sehr widerständig, aber deshalb noch lange nicht systemkonform. Anders verhielt es sich mit der Vertretung der verbeamteten Lehrer, die sich offenbar freiwillig in eine NS-Organisation umformen ließ. Und so kommt es, dass ausgerechnet die linke Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft heute ein Problem mit ihrer Vergangenheit hat.

Dabei geht es wohlgemerkt nicht – wie bei staatlichen Stellen – um SS-Verbrecher, aber doch um das Schönfärben der Verbandsgeschichte in der Nachkriegszeit durch einen GEW-Funktionär und die Aneignung eines „zwangsarisierten“ Hauses, das bis 2013 im Besitz der GEW war. Dass nach diesem Herrn bis heute eine Stiftung benannt ist, dokumentiert eine Wurschtigkeit, wie wir sie bei der GEW nicht vermutet hätten.

Niemand wirft der Lehrergewerkschaft vor, dass sich unter ihren Funktionären NS-Verbrecher verbargen. Aber die Tatsache, dass es der GEW über Jahrzehnte gelungen ist, ihre eigene Vergangenheit erfolgreich zu verdrängen, wirft kein gutes Licht auf eine Organisation, die zugleich rechtsradikalen Tendenzen den Kampf angesagt hat.

Wahrhaftigkeit beginnt vor der eigenen Haustür. Die GEW ist gut beraten, wenn sie sich dieser Geschichte stellt und die notwendigen Konsequenzen zieht.

Anmerkung der Redaktion: Im Text hieß es ursprünglich, das „zwangsarisierte“ Haus sei bis heute im Besitz der Gewerkschaft. Das ist nicht richtig. Die von Max Traeger als „Judengrundstück“ bezeichnete Immobilie wurde 2013 von der GEW Hamburg an das jüdische Bildungszentrum Chabad e.V. für 2,5 Millionen Euro verkauft, von denen die GEW 400.000 an die Jüdische Gemeinde Hamburg spendete.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.