Kommentar Martin Schulz und das Klima: Lügen statt Lösungen

Die SPD lässt die Klimaziele für die Verhandlungen mit der Union fallen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Mitglieder die GroKo noch ablehnen.

Martin Schulz hält sich den Zeigefinger für die Lippen

Martin Schulz will Klimaziele nicht aufgeben, sodern nur nicht einhalten Foto: reuters

Es waren nur wenige Sätze, die Martin Schulz in seiner einstündigen Rede am Sonntag dem Klimaschutz gewidmet hat. Aber die hatten es in sich: „Natürlich geben wir die Klimaziele nicht auf“, behauptete der SPD-Chef. Anders lautende Meldungen seien „Fake News“. Damit übernimmt Schulz nicht nur eine Vokabel von Donald Trump, sondern er zeigt auch ein ähnlich flexibles Verhältnis zur Wahrheit wie der US-Präsident.

Im finalen Sondierungspapier findet sich im Gegensatz zu ersten Entwürfen zwar nicht mehr das offizielle Eingeständnis, dass das deutsche Klimaziel für 2020 nicht erreicht wird. Doch durch die Formulierung, die Lücke solle „so weit wie möglich“ geschlossen werden, wird das Ziel faktisch trotzdem aufgegeben. Das haben die Fachpolitiker der SPD auch längst zugegeben. Das Ziel noch zu erreichen sei „schlicht nicht möglich“, sagte etwa Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth.

Ob das stimmt, darüber sind Klimaexperten geteilter Meinung. Einigkeit besteht jedoch darüber, was passieren müsste, um das Ziel wirklich „so weit wie möglich“ zu erreichen: Zum einen dürfte man es nicht aufgeben, damit der Handlungsdruck bestehen bleibt. Zum anderen müssten kurzfristig viele Kohlekraftwerke abgeschaltet und eine schnelle Verkehrswende eingeleitet werden.

Doch davon ist im Sondierungspapier keine Rede. Und als Forderung für die Koalitionsverhandlungen wird der Klimaschutz im SPD-Parteitagsbeschluss nicht erwähnt. Dass hier noch viel passiert, ist daher nicht zu erwarten – zumal es ja laut Schulz überhaupt kein Problem gibt.

Angesichts dieser Realitätsverweigerung kann man aus Klimaschutzsicht nur hoffen, dass die SPD-Mitglieder die Groko noch ablehnen. Denn bei Neuwahlen hätte Schwarz-Grün eine realistische Chance auf eine Mehrheit. Und auch für jemanden, der ein solches Bündnis immer kritisch gesehen hat, erscheint es angesichts der deprimierenden Klimapolitik der SPD inzwischen als wünschenswerte Alternative.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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