Kommentar Manager-Gebaren bei EWE: Die Macht der Manieren

Der Aufsichtsrat des Oldenburger Energiekonzerns erhoffte sich regionalen Glanz vom Vorstands-Kandidaten Timo Poppe. Der liefert zuverlässig ab.

Ein Schild am EWE-Firmensitz, auf dem ein Pfeil soweit um eine Ecke weist, dass er fast wieder am Ausgangspunkt ankommt

Noch ein kleines Stück und man ist wieder am Ausgangspunkt: der Alleinherrschaft von Energie-Fürsten aus der Provinz Foto: dpa

Als 2015 die 17 Jahre währende Alleinherrschaft des skandalumrauschten Vorstandsvorsitzenden Werner Brink­er beim Energieversorger Ewe AG zu Ende gegangen war, hatte mancher geglaubt, nun beginne endlich ein Selbstreinigungsprozess. Aber das war naiv: Was begonnen hat, ist ein Machtkampf.

Im Aufsichtsrat sind jene stark, die sich vom fünftgrößten Energieversorger Deutschlands regionalen Glanz fürs Oldenburger Land und den Nordwesten Niedersachsens erhoffen: Auf den Beistand von Kommunalpolitikern, Landräten und Abgeordneten hatte sich Brinker über Parteigrenzen hinweg stets verlassen können, weil er genau das lieferte.

Und auch, dass der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Brückmann schon nach knapp anderthalb Jahren gehen musste, dürfte weniger damit zu tun haben, dass er den zampanohaften Stil seines Vorgängers fortschrieb, sondern dass er genau diese Lieferung einstellte: Egal wie eigenmächtig er darüber entschieden hat, wohl niemand hätte Brückmann die Viertelmillion-Spende an die Wladimir Klitschko-Stiftung übel genommen, wenn sich der Boxweltmeister nicht für ukrainische Waisenkinder, sondern für die Therapie des gemobbten Nachwuchses emsländischer Hühnermäster einsetzen würde.

„Wir hätten lieber einen von uns“, das war damals schon maulig aus Aufsichtsratskreisen zu hören. Einen, der in denselben Seilschaften, in derselben Freiwilligen Feuerwehr und im selben Schützenverein ist, wie man selbst: Einer, der weiß wie man sich hier verhält.

Also einen wie Timo Poppe, eine echte Blüte, wenn nicht gar ein Früchtchen der Brinker-Ära: Der Funkwart der Freiwilligen Feuerwehr Wildeshausen bringt Capital­-Journalisten zum Schwärmen, auch wenn er, als deren Protokollant mal nicht mitbekommen hat, wenn in den Entscheidungsgremien des Konzerns zu Lasten der Arbeitnehmer getrickst und geschummelt wird; er entwickelt kein Unrechtsbewusstsein, wenn er sich für seinen Urlaub den Vorstandsfahrer des Konzerns einfach mal ausleiht – schließlich ist der ja ein Feuerwehrkamerad.

Das Entscheidende ist, dass er geerdet geblieben ist, trotz eines Jahressalärs von einer guten Klitschko-Spende. Er spricht die Sprache der Leute: Keiner kann deshalb so gut wie der Swb-Vorstandsvorsitzende Poppe seiner Belegschaft weismachen, dass der Zopf der Altersversorgung gestutzt werden muss und auch bereits laufende Pensionen langsamer steigen sollten, als vom alten Haustarifvertrag ursprünglich vorgesehen. Sogar die Gewerkschaft Ver.di hat er im Januar vom Segen dieses Absenkungstarifvertrags überzeugt, dieser Fuchs.

Zugleich hält Poppe den Service-Gedanken und den Kundenkontakt dort hoch, wo es wichtig ist und sich lohnt. So hat er es wenigstens damals als Generalbevollmächtigter Infrastruktur des Ewe-Konzerns getan. Für den guten Kunden Heiner Schönecke zum Beispiel hat er sich persönlich um die Effizienz einer Biogasanlage gekümmert. Mehrere Angestellte hielt er auf Trab, um die Ertragsoptimierung zu berechnen. Völlig unentgeltlich. Von der Ewe heißt es dazu, das sei „eine Sache der Höflichkeit gegenüber einem Kunden“ gewesen. Und ganz unabhängig davon, dass der Landtagsabgeordnete Schönecke auch der zweite stellvertretende Vorsitzende des Konzernaufsichtsrates ist, der sich später als treibende Motor der Brückmann-Ablösung betätigt hat.

Der Funkwart der Freiwilligen Feuerwehr Wildeshausen bringt Capital-Journalisten zum Schwärmen

Höflichkeit ist ein hohes Gut. Und so viel ist sicher: Im Oldenburgischen und im Nordwesten Niedersachsens wird sie noch angemessen wertgeschätzt: Es ist davon auszugehen, dass das Kontrollgremium der Ewe den Bericht der KPMG-Prüfer für seine Entscheidungsfindung konsultiert. Mindestens ebenso wichtig sind dann aber doch die richtige Kinderstube. Und die guten Manieren.

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