Kommentar Machtwechsel in Brasilien: Der Putsch geht weiter

Den Gegnern der entmachteten Präsidentin Dilma Rousseff geht es nicht um die Rettung Brasiliens. Es geht um die eigenen Pfründe.

Demonstranten feiern in Sao Paulo am Donnerstag die Absetzung von Dilma Rousseff

Demonstranten feiern in Sao Paulo am Donnerstag die Absetzung von Dilma Rousseff Foto: ap

Der Machtwechsel in Brasilien ist ein schändliches Theater. 81 Senatoren, von denen weit über die Hälfte mit Ermittlungen wegen Korruption konfrontiert sind, richten über eine gewählte Präsidentin, der die Justiz nichts vorzuwerfen hat. Alle wissen, dass die angeblichen Haushaltstricks von Dilma Rousseff nur ein Vorwand sind, um sie zu stürzen.

Rousseffs Gegnern geht es nicht um die verkündete „Rettung Brasiliens“, sondern um einen Politikwechsel, der an den Urnengängen mehrfach scheiterte. Viele Senatoren werden sich auch gedacht haben, dass sie ohne Rousseff vielleicht einem Korruptionsprozess entgehen werden. Doch wichtiger war der Hass auf eine Regierung – und gegen eine Frau – die sich wie ihr Vorgänger Lula da Silva erdreistete, die Führungsrolle der alteingesessenen Elite in Zweifel zu ziehen und eine Umverteilung des Reichtums einzuleiten.

Der neue Präsident Michel Temer ist in dem Theater nur eine Marionette. Er ist an der Macht, weil die Amtsenthebung mit seiner Nachfolge der einzig gangbare Weg eines Umsturzes war. Medien, Unternehmer und traditionelle Rechtspolitiker wissen genau, dass Temers PMDB unabhängig inhaltlicher Positionen immer mit den gerade Mächtigen koaliert. Die eigentlichen Putschisten wissen auch, dass Temer und seine Helfershelfer zu tief im Korruptionsstrudel stecken und jederzeit auffliegen können.

Deswegen ist der Putsch noch nicht vollendet. Rousseff ist zwar weg, aber die größte Gefahr für die Rechte geht immer noch von Lula aus. Er schließt eine erneute Kandidatur 2018 nicht aus und führt in Umfragen deutlich. Statt die Verfahren gegen PMDB-Politiker und das Hinterziehen von Millionenbeträgen voranzutreiben, beschäftigen sich Justiz und Medien mit der angeblich illegalen Renovierung eines Apartments, das Lula gehören soll. Lula soll hinter Gitter. Spätestens dann wird eine Konfrontation im gespaltenen Brasilien unvermeidlich.

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Journalist und Soziologe, lebt seit neun Jahren in Rio de Janeiro und berichtet für Zeitungen, Agenturen und Radios aus der Region. Arbeitsschwerpunkt sind interkulturelle Medienprojekte wie der Nachrichtenpool Lateinamerika (Mexiko/Berlin) und Pulsar, die Presseagentur des Weltverbands Freier Radios (Amarc) in Lateinamerika.

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