Kommentar Linksextremismus-Programm: Aufs Beste zerlegt

Kristina Schröders Anti-Links-Programm ist gescheitert. Doch einige Projekte haben den Ausweg aus dem Grabenkampf bereits gefunden.

Für Kristina Schröder auf einer Stufe mit Nazis: Autonome am 1. Mai in Berlin. Bild: dpa

Die Forderung geistert seit Jahren durch die Institutionen: Wenn der Staat schon millionenschwere Programme gegen Rechtsextremismus finanziere, dann müsse er doch, bitte schön, auf ähnliche Art auch gegen Linksextreme und Islamisten aktiv werden. Gleiche Pflicht für alle.

Man muss der ehemaligen Familienministerin Kristina Schröder, einer Vorkämpferin dieses Denkmodells aus der CDU, inzwischen beinahe dankbar sein: Sie hat diese Logik in Form eines Bundesprogramms gegen Linksextremismus konsequent durchexerziert – und damit in der Praxis binnen kurzer Zeit aufs Beste zerlegt. Mehrere Evaluierungsberichte des Deutschen Jugendinstituts (DJI) legen inzwischen unmissverständlich die Probleme dieser Eins-zu-eins-Übersetzung offen.

Die Sozialdemokratin Manuela Schwesig wird als neue Familienministerin früher oder später die Frage beantworten müssen, was aus dem Herzensprojekt ihrer Vorgängerin werden soll. Schließlich läuft das Programm noch in diesem Jahr aus. Dass es in der SPD von Anfang an auf Kritik stieß, ist bekannt. Dennoch handelt Schwesig klug, wenn sie ihre Entscheidung nicht überstürzt. Schließlich darf sie mit einem Aufschrei der Gegenseite rechnen: Hier werde Gewalt von links verharmlost, aus parteipolitischen Gründen mit zweierlei Maß gemessen.

Dank der wissenschaftlichen Studien zu dem Projekt hat Schwesig jetzt allerdings viele stichhaltige Argumente in der Hand. Mehr noch: Einige Modellprojekte aus dem Anti-links-Programm haben den Ausweg aus dem ideologischen Grabenkampf bereits vorgezeichnet. Denn, und das ist die gute Nachricht: Aus dem Anti-links-Fördertopf entstand mitnichten nur grober Unfug – im Gegenteil.

Einige Träger standen dem schröderschen Konzept von Anfang an skeptisch gegenüber – und befreiten sich nach halber Strecke von dessen Grundannahmen. Die enge Anti-links-Stoßrichtung modelten sie kurzerhand in einen breiteren Pro-Demokratie-Ansatz um. Das hat mit der Ausgangsidee zwar nicht mehr unbedingt viel gemein, aber: Was soll’s? Schließlich zeigen repräsentative Studien seit Jahren: Menschenfeindliche, antidemokratische Einstellungen finden sich mitnichten nur außen am rechten oder linken Rand der Gesellschaft, sondern auch mittendrin im vermeintlich heilen Mainstream.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974, ist Parlamentskorrespondentin der taz. Zuvor hat sie als Reporterin und Inlandsredakteurin für die Zeitung gearbeitet. Sie war Stipendiatin des Netzwerks Recherche und erhielt für ihre Recherchen über Rechtsextremismus unter anderem den Theodor-Wolff-Preis. Schwerpunkte ihrer Berichterstattung sind die Piratenpartei, die CDU und das Thema Innere Sicherheit. Autorin der Sachbücher „Heile Welten. Rechter Alltag in Deutschland“ und „Piratenbraut. Meine Erlebnisse in der wildesten Partei Deutschlands“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.