Kommentar Leitzins in Russland: Zu spät für Kapitalverkehrskontrollen

Geld fließt ab, und zwar in Massen: Die Erhöhung des Leitzinses ist eine Panikreaktion, die alles nur noch schlimmer macht.

500 russische Steine. Wofür gehen sie drauf? Bild: dpa

Es ist eine panische Aktion, die leider folgenlos bleiben wird: Die russische Zentralbank hat ihren Leitzins von 10,5 auf 17 Prozent erhöht, um das Geld im Land zu halten. Trotzdem werden die Investoren weiterhin ihr Kapital aus Russland abziehen.

Russland ist eigentlich ein sehr reiches Land. Aber es hängt komplett vom Ölpreis ab, der in den letzten vier Monaten um 40 Prozent gefallen ist. Also fragt sich jeder Investor sofort, ob Russland seine Kredite zurückzahlen kann. Die Panik verstärkt sich von selbst. Ein Dominoeffekt tritt ein: Je mehr Anleger ihr Geld abziehen, desto mehr Anleger werden diesem Beispiel folgen, weil sie nicht die Letzten sein wollen, die den Gesamtschaden tragen.

Die russische Zentralbank versucht die Kapitalflucht zu stoppen, indem sie die Zinsen erhöht – aber diese Maßnahme zeigt den Investoren nur, wie ernst die Lage ist – und sie werden ihr Geld erst recht abziehen.

Im Grunde ist erstaunlich, dass Russland überhaupt Auslandskredite braucht. Denn durch seine Energieexporte nimmt es ständig neue Devisen ein. Dieses Geld landet jedoch nicht in der russischen Wirtschaft, sondern bei Oligarchen, die es gleich wieder auf ausländische Schwarzkonten schaffen.

Um sich trotzdem zu finanzieren, sind russische Unternehmen und Banken gezwungen, Kredite im Westen aufzunehmen. Dieser Kreisverkehr macht die russische Wirtschaft jetzt so anfällig für Kapitalflucht.

Präsident Putin steckt in einem Dilemma: Er müsste Kapitalverkehrskontrollen einführen, aber dies dürfte für Widerstand bei den Oligarchen sorgen. Zudem könnte es zu spät sein, weil der Ölpreis jetzt zu niedrig liegt.

Doch der Westen sollte sich nicht in Schadenfreude ergehen. Eine Finanzkrise in Russland würde auch die europäischen Banken sofort treffen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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