Kommentar Koalition in Sachsen-Anhalt: Einziger Ausweg Kenia

Eine Minderheitsregierung der CDU wäre nach Belieben von der AfD blockiert worden. Für die SPD ist die Koalition das kleinere Übel.

Ein Wahlplakat liegt auf einer Wiese

Die halt alles durcheinander gebracht: die AfD Foto: dpa

HALLE taz | Richtig ist: Die Kenia-Koalition, zu deren Bildung am heutigen Montag in Sachsen-Anhalt die Verhandlungen beginnen, ist nicht alternativlos. Theoretisch könnte die CDU auch mit der Linken oder der AfD regieren. Beides käme einem Sieg für Rechtsaußen gleich. Angenommen, Union und Linke wollten überhaupt, lieferten sie damit der Unterstellung Vorschub, die kaum noch unterscheidbaren Alt- oder „Systemparteien“ seien zu jedem Verrat bereit, um ihre Pfründe zu sichern. Und eine CDU-AfD-Koalition hätte die Meckererpartei über ihren Wahlerfolg hinaus nachträglich aufgewertet.

Die Union könnte aber auch, was sie definitiv nicht will, mit ihren 30 Prozent Wählerstimmen eine Minderheitsregierung riskieren. Aber ganz abgesehen davon, dass ein solches bis 2002 praktiziertes „Magdeburger Modell“ mit dem SPD-Ministerpräsidenten Höppner wie ein Trauma auf dem Land zu lasten scheint: Wer sollte die CDU tolerieren, ihr also jeweils Mehrheiten verschaffen? Nicht einmal die auf 10,6 Prozent abgesackte SPD wäre dazu allein in der Lage. Es hätte also einer „Tolerierungskoalition“ zwischen Sozialdemokraten und Grünen bedurft, um eine Machtposition der AfD als eigentliche Regierungspartei zu verhindern. Mit ihrem knappen Viertel der Landtagssitze hätte sie die CDU nach Belieben blockieren oder vorführen können.

Deshalb war es richtig, dass sich die Sozialdemokraten mitten im Wundenlecken für ein schwarz-rot-grünes Bündnis entschieden haben. Aus partei-, ja demokratiehygienischen Gründen wäre die Katharsis in der Opposition für die nächsten fünf Jahre gewiss heilsamer gewesen. So, wie es auch die Genossen in Thüringen 2014 nach einem vergleichbaren Absturz erwogen hatten. Die SPD hat am Samstag in Halle aus pragmatischen Gründen das kleinere Übel gewählt. Könnte ihr andernfalls als Mini-Opposition wirklich eine bessere Profilierung in den kommenden fünf Jahren gelingen?

Eine Verweigerung hätte mit größter Wahrscheinlichkeit Neuwahlen bedeutet, bei denen die AfD vermutlich kaum verloren und die SPD vermutlich kaum gewonnen hätte. So aber kann die SPD gemeinsam mit den Grünen der Union zumindest Kompromisse abringen. In der Schulpolitik zum Beispiel Gesamtschulen erhalten und den Umbau des Gymnasiums zur Eliteschule verhindern. Am bislang halbwegs attraktiven Hochschulland darf nicht weiter gesägt, Kultur nicht weiter gewürgt werden. Am Schlusslicht-Image des „Schlechte-Laune-Landes“ muss endlich gearbeitet werden. Das scheint auch die „Weiter so!“-CDU inzwischen zu ahnen.

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Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.

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