Kommentar Kirgisien: Ihr Einsatz, Herr Westerwelle!

Die EU sollte Russland drängen, der Bitte der kirgisischen Regierung nach einer Entsendung von Sicherheitskräften nachzukommen – und sie könnte dabei selbst tatkräftige Hilfe anbieten.

Zentralasien brennt. Wer jetzt die Hände in den Schoss legt, macht sich schuldig. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, den mit dem Tod Bedrohten zu Hilfe zu eilen - und es ist sicherheitspolitisch unabdingbar.

Wird das Feuer im Süden Kirgisiens nicht bald gelöscht und der Massenmord an der usbekischen Minderheit des Landes gestoppt, könnte die gesamte Region aus den Fugen geraten - mit unabsehbaren Folgen für den Afghanistankonflikt inklusive. Denn durch Zentralasien verläuft die nördliche Versorgungsroute für den Afghanistankrieg. Es gibt eine EU-Strategiepapier für Zentralasien, das 2007 unter deutscher Führung beschlossen wurde. Es wäre das Papier, auf dem es gedruckt ist, nicht wert, wenn Europa jetzt nicht Verantwortung zeigt.

Die Krise im Süden Kirgisiens ist nur durch den Einsatz internationaler Truppen in den Griff zu bekommen. Denn die provisorische Regierung des Landes ist nach eigenen Angaben nicht in der Lage, dem Morden Einhalt zu gebieten. Nur mit einem robusten Mandat könnten die marodierenden Horden daran gehindert werden, weiter Tod und Zerstörung zu verbreiten.

lebt und arbeitet als Korrespondent der taz in Zentralasien. Er gehört zu den wenigen Journalisten, die vor Ort über das Massaker von Andischan berichteten.

Auf keinen Fall darf das benachbarte Usbekistan Truppen nach Südkirgisien entsendet, um der usbekischen Minderheit zur Hilfe zu eilen. Denn dann stünde Zentralasien ein grausamer Krieg entlang ethnischer Linien bevor. Dagegen würde Soldaten aus Russland oder der Nato sowohl seitens der Kirgisen wie der Usbeken das nötige Vertrauen entgegengebracht.

Die EU sollte Russland drängen, der Bitte der kirgisischen Regierung nach einer Entsendung von Sicherheitskräften doch noch nachzukommen - und sie könnte dabei selbst tatkräftige Hilfe anbieten. Da ja die kirgisische Regierung selbst um Hilfe gebeten hat, könnte sich dafür sogar ein UN-Mandat anbieten. Es ist an der Zeit, die kindische geopolitische Konkurrenz zwischen der Nato und Russland in Zentralasien sein zu lassen und die Stabilität Zentralasiens zu retten. Herr Westerwelle, es gibt viel zu tun!

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„Das liegt doch irgendwo in Russland“ oder „Samarkand?  Seidenstrasse?“ sind zwei häufige Antworten, wenn ich in Deutschland von meiner Arbeit in Zentralasien erzähle. Die Region zwischen dem Kaspischen Meer und chinesischer Grenze tut sich auch 20 Jahre nach der Unabhängigkeit schwer, einen Platz in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit zu erobern.Mich aber faszinieren Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan seit vielen Jahren, obwohl in den Redaktionen das ungeschriebene Gesetz gilt,dass Veröffentlichungschancen sinken, je mehr Stans in einem Satz vorkommen. Ich berichte aus dem Hinterland des Natokrieges in Afghanistan über Aufstände, Revolutionen,Wasserkriege und wie deutsche Politiker mit dem usbekischen DespotenIslam Karimow kungeln, um sich die Bundeswehrbasis in dessen düsteren Reich an der afghanischen Grenze zu sichern.Ich nehme die Ereignisse selbst in Augenschein und berichte in Zentralasien oft als einer der ersten, manchmal sogar als einziger, vom Ort des Geschehens. Sei es bei den zwei Machtumstürzen (2005 und 2010), und dem ethnischen Konflikt in Kirgistan (2010), dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan (2005), den Ölarbeiterstreiks in der westkasachischen Steppenstadt Schanaozen und dessen blutigem Ende (2011), und den Gefechten in der tadschikischen Pamirprovinz Badachschan (2012). Ich, Jahrgang 1969, arbeite seit 1994 aus Zentralasien für Schweizer und deutsche Medien. Seit 2006 bin ich zudem dort als taz-Korrespondent tätig. Ich halte Vorträge zu Zentralasien und beteilige mich an Podiumsdiskussionen. Deutschland:+491795057442 Kirgistan:+996777565575

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