Kommentar Israels Abzug aus Gaza: Raketen statt Hongkong

Vor zehn Jahren verließ Israel Gaza. Viele Palästinenser träumten von Aufschwung. Doch sie wählten Hamas und ihr Land wurde zur Raketenabschussbasis.

Panzer fahren auf einer unbefestigten Straße

Vor zehn Jahren: Israels Militär verlässt Gaza. Foto: dpa

Wir machen den Gazastreifen zum Hongkong des Nahes Ostens“, frohlockte Fatah-Funktionär Dschibril Radschub kurz vor Israels Räumung der 21 Siedlungen im Gazastreifen und dem Abzug der Armee 2005. Die Voraussetzungen für einen Aufschwung waren nicht schlecht. Die israelischen Bauern hatten ihre Gewächshäuser samt Bewässerungsanlagen zurückgelassen.

Die langen Sandstrände sind wie geschaffen für sonnenhungrige Touristen, und vor der Küste liegen sogar Gasfelder, die bis heute niemand nutzt. Man hätte etwas machen können aus der neuen Freiheit, die Mitte August vor zehn Jahren begann.

Die Palästinenser dankten es Israel nicht, sondern wählten nur Monate nachdem der letzte Soldat den Gazastreifen verlassen hatte, die Hamas an die Macht. Die neue islamistische Regierung weigerte sich, mit Israel zu kooperieren, Israel boykottierte umgekehrt die Hamas, und auch Ägypten sperrte den Grenzübergang, weil die neuen Herrscher die zuvor vereinbarten Regeln nicht einhalten wollten. Stattdessen setzte die Hamas auf den bewaffneten Kampf und schoss Raketen auf den mächtigen Feind.

Die Rechnung Ariel Scharons war nicht aufgegangen. Der damalige israelische Regierungschef hatte auf Entspannung gehofft, als er die jüdischen Siedler aus ihren Häusern holte. Erst Gaza und dann weitere Teilabzüge auch im Westjordanland schwebten ihm vor. Doch die Trennung der Völker, um die es im Friedensprozess geht, funktionierte nicht.

Der Abzug aus dem Gazastreifen war zwar ein kompletter. Keine einzige Siedlung, kein Armeeposten blieb zurück, auch nicht in der Grenzregion nach Ägypten. Die Palästinenser hatten bekommen, was sie jahrzehntelang gefordert hatten. Aber sie machten daraus kein Hongkong, sondern eine Abschussbasis für Raketen und Granaten. Damit verpatzten sie ihre Chance, weitere Teile ihres Landes zu befreien, ohne Intifada und ohne Krieg.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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