Kommentar Hungernde in Nigeria: Opfer zweiter Klasse

Die nigerianischen Binnenflüchtlinge werden schon lange schlecht versorgt. Die schwierige Sicherheitslage ist nur teilweise schuld daran.

Frauen mit Kindern bei einer Ärztin

Das Elend in den Flüchtlingslagern ist nicht neu Foto: ap

Für einen Moment ist der Aufschrei in Nigeria und der Welt groß. Die Binnenflüchtlinge, vor allem aber die katastrophale Versorgungslage im Land, haben überall Schlagzeilen gemacht. Die Bilder sterbender Kinder – es könnten bis zu 134 pro Tag sein – in Flüchtlingscamps möchte schließlich niemand sehen. Trotzdem wird das Entsetzen bald wieder abklingen. Bereits jetzt wirkt es, so ehrlich es sein mag, etwas geheuchelt. Denn die Krise in Afrikas einwohnerreichstem Staat ist alles andere als neu.

Die Terrorgruppe Boko Haram hat über viele Jahre im Nordosten gewütet und gut 2 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Schon 2014, als die Miliz immer weitere Teile des Nordostens einnahm, gab es viele Klagen über die prekäre Versorgungslage. Doch weder der nigerianische Staat noch internationale Organisationen interessierten sich besonders dafür.

Der Grund dafür ist, dass die große Mehrheit der Menschen nicht in Lagern lebt, sondern meist bei Verwandten in Dörfern Unterschlupf gefunden hat. Damit leben die Binnenflüchtlinge zu verstreut und haben keine Lobby, weshalb das Elend gerade in den entlegenen Dörfern als viel größer eingeschätzt wird. Da die Region trotz zahlreicher Erfolgsmeldungen im Kampf gegen den Terror weiterhin als schlecht gesichert gilt, wird es auch in absehbarer Zeit keine Unterstützung für jene geben, die Hilfe am nötigsten haben.

Die Sicherheitslage dient nun in der Hungersnot als Entschuldigung, die aber nur zum Teil funktioniert. Nicht nur in Borno gibt es Binnenflüchtlinge, sondern auch im Nachbarbundesstaat Adamawa sowie rund um die Hauptstadt Abuja. Gerade dort kann niemand argumentieren, dass es zu gefährlich sei, Hilfe zu leisten. Tatsächlich hat sich nie jemand dafür interessiert.

Die Situation vieler Menschen mag zwar nicht so katastrophal wie am Tschadsee sein. Aber auch dort sind Essen und Geld knapp. Flüchtlingskindern wurde häufig der Schulbesuch mit der Begründung fehlender Zeugnisse verweigert. Die Rückkehr in die Heimat gilt als problematisch.

Nigeria hat schon im Fall von Chibok den Fehler gemacht, Opfer in zwei Klassen einzuteilen: die Schülerinnen aus dem kleinen Ort in Borno und alle anderen, die ebenfalls von Boko Haram entführt wurden, aber für die es kaum Interesse gab. Dieser Fehler wiederholt sich gerade.

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