Kommentar Holm: Wer hat ihn verraten?: Sozial… so einfach ist das nicht

Holm ist nicht Opfer einer mit der SPD verbandelten Immobilienwirtschaft. Den Rücktritt haben sich die Linkspartei und er maßgeblich selbst zuzuschreiben​.

Andrej Holm bei einer Diskussionsveranstaltung vor zehn Tagen Foto: dpa

Niemand hat Andrej Holm verraten. Wenn jetzt in linken Kreisen gemunkelt wird, der Mietaktivist sei Opfer der mit der SPD verbandelten Immobilienwirtschaft, dann ist das Legendenbildung. Holm befeuert diese Deutung, indem er schreibt, es gehe bei seinem erzwungenen Rücktritt „vor allem um die Angst vor einer Wende im Bereich der Wohnungspolitik“. Aber so einfach ist das nicht. Dass Holm keine fünf Wochen als Staatssekretär für Wohnen im Amt weilte, haben sich die Linkspartei und er maßgeblich selbst zuzuschreiben.

Ja, Holms Nominierung war eine klare Botschaft für Investoren: In Zukunft sitzt einer eurer stärksten Kritiker in der Regierung und bestimmt dort die Gesetze im Sinne der Mieterinnen und Mieter mit! Ein mutiges Signal an die Stadtgesellschaft, eine hochsymbolische Personalie. Dass er mit starkem Gegenwind aus dem wirtschaftsnahen Lager zu rechnen hatte, war von Anfang an klar.

Umso wichtiger wäre es gewesen, nicht angreifbar zu sein. Aber Holm hat sich angreifbar gemacht. Er hat sich zu wenig auf die öffentliche Auseinandersetzung mit seiner Stasi-Vergangenheit vorbereitet. Er kannte nicht einmal seine eigene Akte. So traten Widersprüche auf zwischen den Dokumenten der Akte und seinen eigenen Aussagen – was an seiner Glaubwürdigkeit kratzte. Die „falschen Kreuze im Fragebogen“, wie Holm seine Angaben zur Stasi-Mitarbeit gegenüber der Humboldt-Uni jetzt nennt, konnte er dann gar nicht mehr überzeugend erklären.

Absicherung fehlte

Dass Holm zu naiv in die Debatte gegangen ist, sollte man ihm nur bedingt vorwerfen, schließlich ist der Sozialwissenschaftler ein politischer Quereinsteiger. Wenn ihn jemand hätte absichern und beraten müssen, dann war das die Linkspartei. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher hat ihn ins Amt gehoben, sie hätte im Vorfeld gemeinsam mit Holm seine Vergangenheit auf mögliche Widersprüche und Schwachstellen abklopfen müssen. Das hat offenbar nicht ausreichend stattgefunden. Auch in den vergangenen Wochen hätte der stark unter Beschuss stehende Holm eine bessere Beratung bei öffentlichen Äußerungen durchaus gebrauchen können.

Es stimmt: Andrej Holm stand als Person für einen Perspektivwechsel in der Wohnungspolitik. Rot-Rot-Grün muss nun dafür sorgen, dass diese inhaltlichen Ambitionen nicht mit Holm aus der Regierung verschwinden. Auf die Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag müssen konkrete Veränderungen folgen. Holm selbst schrieb am Montag: „Ich trete heute zurück, damit diese Politik weitergeführt werden kann, denn es gibt noch einiges zu tun.“ Recht hat er.

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Teamleiterin Gesellschaft in der wochentaz. Seit 2007 fest bei der taz, zunächst im Berlin-Teil, dann in der Wochenend-Redaktion. Schwerpunkte: Soziales und Reportage.

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