Kommentar Hilfe für Ostdeutschland: Die Transferunion bleibt

Wirtschaftlich aufholen wird der Osten des Landes in nächster Zeit nicht. Trotzdem ist Deutschland als Ganzes mit der Einheit reicher geworden.

Gruppenbild mehrerer Menschen, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die MinisterpräsidentInnen der ostdeutschen Bundesländer mit Kanzlerin Foto: dpa

Sachsen-Anhalt war bis 1945 die reichste Region Deutschlands – heute ist sie die ärmste. Die DDR hat Ostdeutschland bleibend geschädigt; auch dreißig Jahre Einheit konnten bisher nicht korrigieren, was 44 Jahre zentrale Planwirtschaft angerichtet haben. Es ist absurd, dass der Solidarpakt ausläuft, denn Ostdeutschland benötigt weiter Hilfe. Die Kanzlerin traf sich daher am Donnerstag mit den fünf Ost-Ministerpräsidenten, doch blieb hinterher ziemlich vage, wie die Unterstützung für die Ex-DDR künftig aussehen könnte.

Sicher ist jedenfalls: Noch mehr Infrastruktur wird auch nicht helfen. Schon jetzt wird gewitzelt oder gestöhnt, je nach Stimmungslage, dass die Straßen in Duisburg schlechter aussehen würden als in Anklam. „Blühende Landschaften“ entstehen nicht durch Asphalt; es hat sich als naiv herausgestellt zu glauben, dass man nur Teer vergießen muss, damit Fabriken folgen.

Stattdessen bleiben die Unternehmen, wo sie sind – in Westdeutschland. Dort haben sie ihre Konzernzentralen, ihre Verwaltung, ihre Forschungslabore. Im Osten wird meist nur eine kleine Servicestation eingerichtet, um die Kunden vor Ort zu betreuen. Die Ost-Ministerpräsidenten wünschen sich daher, dass zumindest der Bund gegensteuert und große Behörden in den Osten umsiedelt. Das kann man machen.

Aufholen wird der Osten trotzdem nicht. Jedenfalls nicht in den nächsten beiden Jahrzehnten. Statt auf einen wundersamen Aufschwung zu hoffen, sollte man endlich die Realität akzeptieren: Deutschland ist und bleibt eine „Transferunion“. Die reichen Landesteile müssen für die ärmeren zahlen.

Dieser Transfer kostet übrigens gar nichts. Es verstellt den Blick, immer nur auf die Zahlungsströme zwischen den Bundesländern zu starren. Die Wiedervereinigung war nämlich gratis: Obwohl mehr als zwei Billionen Euro in den Osten gepumpt wurden, liegt die Staatsverschuldung Deutschlands niedriger als das Defizit in Frankreich oder Großbritannien.

Der Kapitalismus wächst mit seinen Aufgaben. Deutschland als Ganzes ist reicher geworden, weil es den Osten gibt. Also kann man ruhig Geld dorthin transferieren.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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