Kommentar Heidenau: Beschämend und abstoßend

Ein Versammlungsverbot? Weniger demokratisches Grundverständnis geht kaum noch. Beruhigend nur, dass sogar Konservative sich empören.

Zwei Flüchtlinge laufen an einem Zaun vorbei, an dem „Refugees welcome“ steht

Seltene Worte: Die Willkommenskultur in Heidenau ist nicht besonders ausgeprägt Foto: ap

Es gibt Anordnungen, die sind so skandalös, dass einem die Spucke wegbleibt. Die Verhängung eines allgemeinen Versammlungsverbots über Heidenau für dieses Wochenende ist so ein Fall. Zum Glück hat das Verwaltungsgericht Dresden diesen Irrsinn per Eilentscheidung gestoppt.

Aber was geht bloß in einem CDU-Landrat im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge vor, überhaupt eine solch wahnwitzige und rechtswidrige Verfügung zu erlassen? Seine Aufgabe wäre es stattdessen gewesen, sich an die Spitze derjenigen zu stellen, die den Geflüchteten beistehen. Aber das kann man von einem sächsischen Christdemokraten wohl nicht verlangen.

Eine Woche nachdem die Polizeiführung den braunen Mob bei seinen Angriffen auf die Flüchtlingsunterkunft in der vermeintlich „freundlichen Elbestadt“ (Eigenwerbung) gewähren ließ, den „polizeilichen Notstand“ zu erklären und damit auch ein geplantes Willkommensfest für Geflüchtete zu untersagen, macht schlicht fassungslos. Das einzig Beruhigende an dem ungeheuerlichen Vorgang ist, dass er selbst bei einigen für Empörung sorgt, mit denen man ansonsten nie und nimmer in irgendeiner politischen Frage übereinstimmt.

„Ein Versammlungsverbot, das sich indirekt gegen ein Willkommensfest richtet, ist so ungefähr das Letzte, was Deutschland braucht“, schreibt der erzkonservative Jasper von Altenbockum in der FAZ über diesen „Kniefall vor dem Mob“. Sachsen drohe „sich bis auf die Knochen zu blamieren“. Recht hat Altenbockum, auch wenn er feststellt: „Wer Woche für Woche Pegida-Spaziergänge in Dresden ermöglicht, kann ja wohl ein Willkommensfest in Heidenau nicht für eine unerträgliche Belastung halten.“

Das Versammlungsverbot im sächsischen Heidenau bleibt nach einer Eil-Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Bautzen teilweise bestehen. Alle vom Bündnis „Dresden Nazifrei“ für diesen Freitag geplanten Veranstaltungen dürfen aber stattfinden, entschieden die Richter am Freitagabend. Damit gaben sie teilweise einer Beschwerde des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gegen einen anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden statt. Die Dresdner Richter hatten zuvor in erster Instanz das vom Landratsamt verhängte generelle Demonstrationsverbot für rechtswidrig erklärt und aufgehoben. (dpa)

Als „beschämend und abstoßend“ hat Angela Merkel bei ihrem Besuch in Heidenau am Mittwoch die rassistischen Ausschreitungen bezeichnet. Beschämend und abstoßend ist auch das Verhalten ihrer sächsischen Parteifreunde, denen es offenkundig an einem demokratischen Grundverständnis fehlt. Nur gut, dass wenigstens die Justiz in dem Freistaat noch einigermaßen zu funktionieren scheint.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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