Kommentar Guantanamo: Das nie enden wollende Unrecht

Die rechtlose Zone in Guantánamo war politisch gewollt. Der Hungerstreik der Gefangenen wird ihnen in den USA nicht viel nützen.

Guantánamo: Hinter diesem Zaun beginnt die Rechtlosigkeit. Bild: ap

Da musste erst der Hungerstreik der Guantánamo-Häftlinge kommen, um die Gesellschaft daran zu erinnern, dass da noch was ist. 166 Menschen, der Großteil seit vielen Jahren, sitzen da noch, die meisten ohne Anklage, ohne Prozess, ohne Chance auf Freilassung.

Von Präsident Obamas großspuriger Ankündigung zu Beginn seiner ersten Amtszeit, das Lager „binnen einem Jahr“ zu schließen, ist nichts übrig. Er stieß auf Widerstand und gab klein bei, andere Politikfelder erschienen wichtiger und erfolgversprechender.

Von Beginn an war Guantánamo ein einziges großes Unrecht, und genau darum ging es der damaligen Bush-Regierung ja auch. Die rechtlose Zone war gewollt, deshalb wurde jener Marinestützpunkt auf Kuba gewählt. Von den „Black Sites“, den CIA-Geheimgefängnissen, in denen die heute prominentesten Guantánamo-Häftlinge jahrelang gefoltert wurden, einmal abgesehen, konnte nirgendwo sonst ein System entstehen, in dem US-Personal so offen gegen rechtsstaatliche, völkerrechtliche und strafprozessuale Regeln verstößt wie in Guantánamo.

Proteste blieben bescheiden, die Öffentlichkeit reagierte zu oft nach dem Motto: Was sind die Menschenrechte von ein paar Gefangenen, die vermutlich am Ende so unschuldig gar nicht sind – denn für irgendwas werden sie schon verhaftet worden sein! –, gegen den Kampf gegen den Terror?

Die Guantánamo-Häftlinge haben jenseits von Menschrechtsorganisationen keine Lobby. Niemand setzt sich für sie ein, niemand sagt: Es reicht jetzt. Schlimmer noch: Wer sich die Kommentarseiten der US-Medien im Netz ansieht, wird unter Artikeln zum Hungerstreik Hasseinträge wie diesen finden: „Lass sie verhungern, Problem gelöst!“

Unrechtsbewusstsein lag den USA seit je fern. Als Barack Obama noch im Wahlkampf andeutete, Fehler wie Folter und eben auch Guantánamo zu korrigieren, wurde er sofort angegangen, wie er dazu käme, sich im Ausland für Amerika zu entschuldigen.

Viel wichtiger aber: Die Gefangenen, gegen die kein Prozess geführt wird, müssen umgehend freigelassen und entschädigt werden. Die Diskussion erzeugen sie mit ihrem Hungerstreik jetzt selbst. Allerdings: Vermutlich werden sie nicht einmal dann Erfolg haben, wenn die ersten von ihnen tot sind. Amerika hat andere Prioritäten. Nach den Anschlägen in Boston erst recht.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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