Kommentar Gendergerechte Sprache: Oh, fuck off

Der Verein Deutsche Sprache ist gegen gendergerechte Sprache. Seinen Aufruf dagegen unterzeichnen lauter Witzfiguren und Wutbürger.

Ein Stück Kartoffelauflauf und eine Kartoffel. l

Der Aufruf gegen den „Genderunfug“ – ein ideeller Gesamtkartoffelauflauf Foto: imago

„Ein Aufruf zum Widerstand“ – drunter geht heut gar nichts mehr. Würde selbstgerechter Zorn den Körper durch die Harnröhre verlassen, ertrinken würden die hundert Erstunterzeichner*innen des Aufrufs „Schluss mit dem Gender-Unfug“ in ihren eigenen Ausscheidungen.

Sie schreiben von „lächerlichen Sprachgebilden“, die verzerren und dabei nicht einmal dazu beitragen würden, den Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen. Ein Genderstern wird zum Kulturbruch, geschlechtergerechte Sprache zum „zerstörerischen Eingriff in die deutsche Sprache“. Es fehlen einem die Worte; womöglich sind sie alle von den Feminazis geklaut.

Der Verein Deutsche Sprache e.V. hat am Donnerstag einen Aufruf an die Öffentlichkeit gestartet. Dieser trägt den Titel "Schluss mit dem Genderunfug" und richtet sich gegen die "zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache".

Zu den mutigen Mahner*innen zählen solche bezahlten Witzfiguren wie Nuhr und Hallervorden, deren Wutbürgertum aus offensichtlichen Gründen gerade noch vor Invektiven wie „Staatsfunk“ haltmacht. Dazu so nervtötend besserwisserische Gestalten wie Bastian Sick, der sein Geld seit Jahren damit verdient, Sprache zum Regelvollzug zu machen: ewiger Linguaknast ohne Freigang, aber dafür mit Genitiv-S. Kai Diekmann und ein paar Profen obendrauf und fertig ist der ideelle Gesamtkartoffelauflauf.

Traurig an dieser jämmerlichen Parade kleinbürgerlicher Würstchen ist der Zuspruch einzelner Künstler*innen, deren Sprachverständnis doch jenseits bürokratisch-nationalistischer Selbstvergewisserung liegen sollte. Schreibt und denkt doch was ihr wollt, Katja, Judith, Reiner, Günter, aber macht anderen keine Vorschriften, sondern Mut. Mut, Konventionen zu brechen. Mut, sich vom Kollektiv zu lösen, dabei auch Fehler zu machen, albern oder lächerlich zu sein.

Denn es braucht selbstverständlich Mut, das Eigene zu finden, es im Regelbruch sichtbar zu machen und zu behaupten. Das muss man nicht unbedingt unterstützen, die jungen Leute spinnen sowieso und kaufen eure Bücher nicht. Aber wenn ihr fragt, wem die Zukunft gehört: Ich tippe auf Genderstern, nicht Stehpinkler.

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Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

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