Kommentar Friedensbewegung: Der irrationale Rest

Das Bündnis, das am 13. Dezember vor Schloss Bellevue demonstrieren will, ist keine Friedensbewegung. Es ist eine Bewegung gegen den Westen.

Gegen den Mainstream: Aktivisten beim Ostermarsch 2012. Bild: reuters

Nur auf den ersten Blick ist es ein unwahrscheinliches Bündnis, das gemeinsam zur Demonstration vor Schloss Bellevue am 13. Dezember aufruft: Die Verschwörungstheoretiker der Montagsdemos und die traditionelle Friedensbewegung sammeln sich unter einem Dach.

Auf den zweiten Blick gibt es Gemeinsamkeiten: Die Neigungen zu wüsten Theorien über die Steuerung der deutschen Presse von oben teilt etwa der nach Antisemitismusvorwürfen entlassene frühere RBB-Moderator Ken Jebsen mit Albrecht Müller, dem Herausgeber des ansonsten durchaus lesenswerten Internetmagazins Nachdenkseiten. Manche der Unterzeichner hielten es schon zu Mauerzeiten mit der DDR-Führung gegen den angeblich imperialistischen Westen. Sie haben sich ihre alten Feindbilder erhalten, die von den Montagsdemonstranten erst jetzt neu entdeckt werden. Alle gemeinsam stehen unter einem Aufruf, in dem der Westen als Alleinschuldiger der Ukraine-Krise benannt wird und Russland nur als Opfer verkommt.

Viele Linke, die in innen- und wirtschaftspolitischen Fragen längst pragmatisch und rationalen Argumenten zugänglich geworden sind, haben den irrationalen Rest ihrer Ansichten in die Außenpolitik verbannt. Das macht Bündnisse von Attac-Vorkämpfern und Linkspartei-Abgeordneten mit den Wirrköpfen der Montagsdemos möglich; das befördert eine Weltsicht, in der Joachim Gauck als gefährlicher gilt als Assad oder der Islamische Staat.

Dabei hätte eine Friedensbewegung derzeit jede Existenzberechtigung. Sie könnte Flüchtlingen aus Syrien und den dortigen Kurden helfen oder eine gewaltfreie Lösung in der Ukraine unterstützen. Was am 13. Dezember vor Schloss Bellevue demonstriert, ist aber keine Friedensbewegung, sondern eine gegen den Westen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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