Kommentar EuGH zur Flüchtlingsquote: Europa zum Handeln verurteilt

Der Europäische Gerichtshof hat nicht nur über die Umverteilung von Flüchtlingen entschieden. Er hat auch eine Pflicht zur Solidarität postuliert.

Ein Polizist läuft durch ein Lager, das mit Stacheldraht eingezäunt ist

Stacheldraht und Zäune: So soll es in einem solidarischen Europa nicht aussehen Foto: dpa

Dieses Urteil könnte Geschichte machen. Im Streit über die Flüchtlingspolitik hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg nun nämlich nicht nur – wie erwartet – die Klagen von Ungarn und der Slowakei zurückgewiesen, die Einspruch gegen die Umverteilung von Flüchtlingen eingelegt hatten. Er hat auch den Bereich der Mehrheitsentscheidung in der EU ausgeweitet und eine Pflicht zur Solidarität postuliert.

Dennoch ist es zu früh, von einem Durchbruch zu sprechen. Denn im Kern geht es nicht um eine juristische, sondern um eine politische Auseinandersetzung. Im Herbst 2015 ist der Konsens in der EU zerbrochen. Dabei ging es nicht nur um die Flüchtlinge, sondern auch um Fragen der staatlichen Souveränität und der inneren Sicherheit.

Dieser Konsens ist bis heute nicht wiederhergestellt, wie die vehemente Reaktion aus Ungarn zeigt. Das Urteil sei „unverantwortlich“, weil es „die Sicherheit in Europa“ bedrohe, kontert Außenminister Péter Szijjártó. Auch wenn man das als rechtspopulistischen Reflex abtun mag, bleibt der Fakt, dass Ungarn nicht mitmachen will.

Und das Reich des Viktor Orbán ist nicht allein. Bis heute hat kaum ein Land die Quoten für die Umverteilung der Flüchtlinge erfüllt, auch Deutschland nicht. Was 2015 als Behelfslösung in einer akuten Notlage beschlossen wurde, greift selbst heute nicht, da die Balkanroute geschlossen ist und die Außengrenzen abgeriegelt sind.

Eine Täuschung

Daran dürften auch Vertragsverletzungsverfahren oder Sanktionen nichts ändern, wie sie nun diskutiert werden. Die EU muss ihre Flüchtlingspolitik neu justieren und den verlorenen Konsens wiederherstellen, wenn sie nicht dauerhaft in Helfer und Verweigerer, in West und Ost gespalten sein will.

In Deutschland ruht man sich noch auf den Lorbeeren von 2015 aus

In Frankreich hat man das erkannt. Staatspräsident Emmanuel Macron hat für 2018 eine Rundumrevision der französischen Migrationspolitik angekündigt. In Deutschland ruht man sich lieber auf den Lorbeeren von 2015 aus – und tut, als sei nun wieder alles in bester ­Ordnung.

Doch das ist eine Täuschung. Für die Krise von 2015 wird nicht nur in Ungarn Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich gemacht, sondern auch anderswo. Merkel muss sich deshalb um Konsens bemühen – übrigens auch im eigenen Land. Was sie bisher im Wahlkampf zur Flüchtlingspolitik sagte, ist völlig ungenügend.

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