Kommentar Erdogan-Rede in Köln: Er kennt nur Gut und Böse

Mit Nationalismus und Intellektuellenfeindlichkeit kann Erdogan bei seinen Anhängern punkten. Die Großdemo gegen seine Politik macht Mut.

Keine Heldenverehrung auf der linken Rheinseite: Demo gegen Erdogan. Bild: dpa

Der Kontrast hätte nicht schärfer sein können. Auf der rechten Rheinseite jubelten 15.000 islamisch-konservative Erdogan-Fans frenetisch ihrem Idol zu. Zu besichtigen war eine Heldenverehrung, die Demokraten frösteln lässt.

Auf der linken Rheinseite protestierten hingegen mehr als 50.000 Menschen gegen den türkischen Premier. Es war die größte Anti-Erdogan-Demonstration, die Deutschland je erlebt hat. Ein ermutigendes Zeichen.

Das Weltbild, das Erdogan seinen Anhängern vermittelt, ist ein schlichtes. Es gibt Gut und Böse, dazwischen nichts. Gut sind er und seine Regierung. Böse sind all jene, die ihn und seine Regierung kritisieren.

Da redet er dann verschwörungstheoretisch von „Marionetten internationaler Kreise“, „illegalen Kreisen“ oder einfach von „Terroristen“. Während er sich als authentische Stimme des „einfachen“ Volkes geriert, garniert er seine Tiraden gegen die Opposition mit einer ausgesprochenen Intellektuellenfeindlichkeit und einem überbordenden Nationalismus.

Bei einer bestimmten Klientel kommen diese demagogische Botschaften an. Das ist kein türkisches Phänomen. Auch Putin in Russland, Orbán in Ungarn oder Berlusconi in Italien können virtuos auf dieser Klaviatur spielen. Was Erdogan mit ihnen gemeinsam hat, ist ein sinnentleertes Verständnis von Demokratie, reduziert auf den Wahlakt zur Legitimierung autokratischer Herrschaft.

Der bunte und lebendige Zug, der am Samstag friedlich durch die Innenstadt Kölns zog, zeigt die große Sehnsucht nach einer säkularem Staat, ohne die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, ohne Panzer und Wasserwerfer, ohne die Verfolgung Andersdenkender. Und diese Hoffnung auf eine bessere Welt beschränkt sich nicht auf die Türkei.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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