Kommentar Erdoğan und die PKK: Absurd und gefährlich

Die Türkei sieht die PKK momentan als eine größere Gefahr an als den IS. Dabei ist diese mehrheitlich zu einer Aussöhnung bereit.

Demonstration türkischer Nationalisten

Türkische Nationalisten demonstrieren gegen die Angriffe der Kurden am Dienstag. Foto: reuters

In der fast schon hysterischen europäischen Debatte um Flüchtlingsquoten und ungerechte Lastenverteilung ist eines völlig aus dem Blick geraten: Der Nato-Partner und EU-Beitrittkandidat Türkei provoziert derzeit einen Bürgerkrieg mit den Kurden, der noch viel größere Ströme von Asylsuchenden in Gang setzen könnte.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekämpft mit der PKK die einzige militärische Kraft, die auf dem Boden effektiv gegen den „Islamischen Staat“ vorgeht. Der syrische Ableger der PKK, nicht die Türkei, ist die Schutzmacht der von Völkermord bedrohten syrischen Minderheiten geworden. Und gerade in jüngster Zeit hat sie mit Hilfe amerikanischer Luftangriffe beachtliche Geländegewinne in Syrien zu verzeichnen. Ohne diese Truppen haben die USA de facto keinen militärischen Verbündeten mehr am Boden. Dieses Vorgehen ist ebenso absurd wie gefährlich.

Doch das ist Erdoğan nicht nur gleichgültig. Er sieht die Stärke der PKK auch als Bedrohung an. Seine AKP hat bei den vergangenen Wahlen vor allem deshalb die absolute Mehrheit verloren, weil so viele die kurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) gewählt haben – eine Partei, der Erdoğan vorwirft, der politische Arm der PKK zu sein.

Für die Bevölkerung in den türkischen Kurdengebieten ist der brutale Militäreinsatz, der sich seit Monaten schon auch gegen sie richtet, ein schreckliches Déjà-vu der 1990er Jahre. Erdoğan wirft damit seinen einzigen wirklichen politischen Erfolg, den begonnenen Friedensprozess mit den Kurden, in den Dreck. Die Terroranschläge, so verwerflich sie sind, dienen ihm letztlich nur als Vorwand. Die PKK hat sich stark gewandelt in den vergangenen Jahren und ist mehrheitlich bereit zu einer Aussöhnung.

Das türkische Vorgehen destabilisiert die ohnehin fragile Lage in der Region noch weiter – zum Vorteil der Terrormiliz IS. Doch eines sollte Erdoğan klar sein: Man kann die Sehnsucht nach Eigenständigkeit nicht aus einem Volk herausbomben. Das gelingt weder bei den Kurden, noch bei den Palästinensern, als deren Schutzmacht Erdoğan sich so gerne aufspielt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.