Kommentar Digitale Gesundheitsakte: Keine Angst vor Algorithmen

Digitale Angebote im Gesundheitswesen können Leben retten. Die Datenhoheit über die sensiblen Informationen muss aber bei den PatientInnen liegen.

ÄrztInnen benutzen bei einer OP ein Tablet mit einem 3D-Model der Leber

Mit dem Tablet bei der OP: Digitalisierung und medizinischer Fortschritt gehören zusammen Foto: reuters

Algorithmen können Leben retten. In Sekundenschnelle verarbeiten sie Daten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen, bringen die HausärztInnen mit den InternistInnen, mit den KardiologInnen, mit den KinderspezialistInnen zusammen. Sie checken die letzte Impfung, die Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchung und erinnern daran, Medikamente einzunehmen, die eine Krankheit verlangsamen, stoppen, Leben erhalten. Im besten Fall buchen sie uns direkt noch einen der rar gesäten Termine bei einem Spezialisten.

Die Digitalisierung und der medizinische Fortschritt – sie passen also gut zusammen. Und dennoch lässt sich ein Unbehagen darüber nicht leugnen. Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, vor allem Informationen zu unserem Wohlbefinden, dem Zustand unseres Körpers. Sie wecken nicht nur die Hoffnung, ein Gegenmittel gegen jegliche Krankheit schnell und unkompliziert zu finden, sondern sie bringen auch etliche Geschäftsleute auf den Plan.

Google, Microsoft, Amazon – sie sind längst in das Geschäft mit der Gesundheit eingestiegen. In den USA bietet der Onlinehändler sogar eine eigene Krankenversicherung an. Das Modell liegt nicht nur im Interesse der KundInnen. Jeff Bezos erhofft sich dadurch offenbar mehr Informationen über die Bedürfnisse seiner NutzerInnen. Wenn er die kennt, kann Amazon das Angebot anpassen – und neue Begehrlichkeiten wecken.

Der gläserne Körper kann uns gesund machen. Das Gesundheitswesen muss also endlich das analoge Zeitalter hinter sich lassen. Damit der Preis für den Fortschritt nicht zu hoch ist, braucht es allerdings strikte Regeln. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Im Moment haben die Krankenversicherungen die digitalen Angebote in die Hand genommen – nicht ohne Grund. Schließlich erhoffen auch sie sich, mehr über ihre Versicherten zu wissen.

Informationen über unseren Körper, über unsere Gesundheit zählen zu den sensibelsten Daten, die wir zu bieten haben. Nicht auszudenken, wenn ChefInnen künftig nicht nach Leistung und Qualifikation schauen, sondern von einer Anstellung absehen, wenn ein Bewerber wegen seines Raucherhustens behandelt wird. Oder die Schulabgängerin keine Ausbildungsstelle bekommt, weil sie wegen einer Depression in einer Klinik war.

Die Daten müssen sicher sein, die Datenhoheit bei den PatientInnen bleiben. Nicht bei demjenigen, der die Software programmiert hat, oder bei dem, der aus den Daten ein gesundmachendes Angebot basteln kann. Nur dann können wir unsere gesundheitlichen Daten guten Gewissens dem Algorithmus überlassen.

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Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

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