Kommentar Die Linke und das Asylrecht: Im Zweifel deutsch

Sahra Wagenknecht eröffnet einen Konflikt zwischen den Ausländern und uns Deutschen. Das ist kein linker Populismus mehr.

Sahra Wagenknecht auf einer Demo

Da ging es noch gegen den Syrien-Einsatz der Bundeswehr. Mittlerweile geht es um das „Gastrecht“ von Syrern in Deutschland. Foto: dpa

Einmal hat Sahra Wagenknechts Wecker nicht geklingelt. Sie hatte Journalisten zum Frühstück geladen, kam zu spät und schob zur Begrüßung die Verantwortung von sich. „Der US-Konzern Apple ist schuld“, sagte sie. In der Nacht habe ihr iPhone ein Update durchgeführt und dabei die Uhrzeit gelöscht.

Vielleicht meinte sie den Spruch nicht ganz ernst, trotzdem verbildlicht er Wagenknechts größte Kompetenz: Als begnadete Populistin versteht sie es, den Unmut der einen Gruppe (Handynutzer, Steuerzahler, einfache Leute) auf die Mitglieder einer anderen (Amerikaner, Regierung, Reiche) zu lenken.

Seit dem Abgang von Oskar Lafontaine gab es in der politischen Linken eine gewisse Sehnsucht nach solch einem Populismus; den Wunsch, Politik mit Emotionen und Feindbildern nicht den Rechten zu überlassen. In der Linkspartei reichte er insgeheim bis weit ins Reformerlager.

„Sahra sichert uns Stimmen“, hieß es von den Realos, als sie Wagenknecht zur Fraktionschefin wählten. Dass der linke Populismus ein Spiel mit dem Feuer ist und stets die Gefahr birgt, nach rechts abzurutschen, wollten sie nicht hören.

Eine neue Grenze

In der Asylpolitik ging das Kalkül zunächst sogar auf. Wagenknecht empfing die Flüchtlinge zwar nicht am Bahnhof. Ihre Forderung, dass die anderen (damals: die Reichen) mehr Steuern zahlen sollen, damit wir (Mittelschicht, Unterschicht, Flüchtlinge) nicht zurückstecken müssen, fügt sich aber wunderbar in die Parteilinie.

Wird Sahra Wagenknecht zum Boris Palmer der Linken?

Jetzt zieht sie aber eine neue Grenze. Ihr Satz über das „Gastrecht“ eröffnet einen Konflikt zwischen den anderen (jetzt: die Ausländer) und uns (den Deutschen). Mit linkem Populismus hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil.

Wiederholt sich in Berlin die jüngere Geschichte des europäischen Linkspopulismus? In Tschechien war es Miloš Zeman, der es unter dem Label eines Linken zum Präsidenten schaffte und jetzt gegen Flüchtlinge wettert. In Italien mag die Fünf-Sterne-Bewegung Beppe Grillos neben ihren linken Programmteilen nicht darauf verzichten, gegen Flüchtlinge Stimmung zu machen. Und in Deutschland?

Vieles spricht dafür, dass Wagenknecht bald zurückrudert. Falls nicht, wären zwei Szenarien denkbar: Entweder bewegt Wagenknecht ihre Partei in Richtung anderer europäischer Populisten, die mit einer Mischung aus Abschottung und sozialen Wohltaten Wahlen gewinnen. Oder sie wird zu einem Outlaw ihrer Partei, einem Boris Palmer der Linken. Eine interessante Rolle – die nur zu einer Fraktionschefin nicht so recht passt.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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