Kommentar Deepwater Horizon: Zahlen, um weiterzumachen

Die Rekordstrafe nach der Deepwater-Katastrophe zahlt BP gerne. Denn die Energie-Multis haben ein ganz anderes Ziel im Auge.

Das 38-Milliarden-Feuer: Die Ölplattform Deepwater Horizon während der Havarie. Bild: dapd

4,5 Milliarden Dollar – und dabei deckt die Rekordstrafe gegen BP allein den strafrechtlichen Teil der Aufarbeitung der „Deepwater Horizon“-Katastrophe von 2010 ab.

Auf Druck der US-Justiz hatte der britische Konzern zuletzt zugegeben, die Explosion der Tiefseebohrplattform, die zur schwersten Ölkatastrophe des Landes führte, schuldhaft verursacht und zudem anschließend bewusst Falschinformationen gestreut zu haben. Ein eigentlich verheerendes Urteil, dessen Brisanz noch deutlicher wird, wenn man bedenkt, dass BP und die USA sich auf dieses Schuldanerkenntnis samt Strafe im Vergleich geeinigt haben.

Der Ölkonzern muss also noch weit Schlimmeres befürchtet haben - denn dass er der Zahlung aus purer Reue und nicht etwa aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus zugestimmt hat, kann getrost ausgeschlossen werden. Hinzu kommen für BP jetzt noch zivilrechtliche Schadensersatzforderungen der USA sowie von Geschädigten. Mitsamt der mühsamen Reparaturarbeiten summieren sich die Kosten der Katastrophe für BP damit auf rund 38 Milliarden Dollar.

Eine gewaltige Summe, und doch markiert sie nur die untere Grenze des wahren Ausmaßes der Schäden: Viele ökologische Folgen entziehen sich ohnehin weitgehend der ökonomischen Bewertung und fließen allenfalls am Rande in das große Geschacher ein.

Weltgrößter Ölproduzent

Die Nachricht von der Einigung im Fall „Deepwater Horizon“ überschneidet sich mit der vor einigen Tagen von der Internationale Energieagentur (IEA) gestellten Prognose, die USA werde in den nächsten Jahren zum weltgrößten Produzenten von Öl und Gas aufsteigen und von ausländischen Lieferungen dieser fossilen Energieträger unabhängig werden.

Die Koinzidenz verdeutlicht die Problematik, die hinter dem US-amerikanischen Streben nach energetischer Autarkie durch fossile Energieträger steckt. Denn diese Unabhängigkeit wird erkauft durch den großflächigen Einsatz riskanter Förderstrategien und das Erschließen von Vorkommen in ökologisch sensiblen Gebieten. Selbst wenn es gelingt, auf diese Weise noch durchaus beachtliche Mengen Öl und Gas aus der Erde zu pressen – endlich sind letztlich auch diese Reserven.

Rasant steigendes Risiko

Das „Deepwater Horizon“-Desaster zeigt außerdem, dass mit immer invasiveren Fördertechnologien auch die zu erwartenden Schäden zukünftiger Unfälle rasant steigen. Das Umweltbundesamt warnte erst vor wenigen Wochen in einem umfassenden Gutachten vor den Risiken des „Fracking“, der Schlüsseltechnologie, um an die in ansonsten unzugänglichen Gesteinsschichten lagernden Rohstoffreserven zu gelangen. Wenn so etwas mal schief geht, kann es richtig teuer werden. Von nicht monetarisierten Werten wie der unwiederbringlichen Zerstörung von Naturgebieten und den Auswirkungen auf das Klima ganz zu schweigen.

In diesem Licht betrachtet gibt es noch weniger Grund, über die Kosten der Energiewende und den Folgen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) bei uns zu jammern. Die großen Konzerne werden angesichts der sich abzeichnenden Kostenentspannung auf dem Weltmarkt für fossile Energieträger versuchen, ihren Druck auf die Politik gegen regenerative Energien zu erhöhen, das Preisargument haben sie dann scheinbar auf ihrer Seite: Bis zur nächsten Rekord-Umweltkatastrophe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.