Kommentar Bundeswehr nach Syrien: Zack, zack, zum Krieg

Der Syrien-Einsatz wird in drei Tagen durchs Parlament gepeitscht – eine Frechheit. Die Regierung degradiert den Bundestag zum Erfüllungsgehilfen.

Bundeswehrsoldat, der seinen Stiefel auf einen Stuhl stellt, um mit der Bürste Schuhcreme zu verteilen.

Die ParlamentarierInnen müssen so schnell entscheiden, wie die Schuhcréme auf den Soldatenstiefeln trocknet. Foto: reuters

Drei Tage. Angela Merkels Regierung peitscht den Syrien-Einsatz in drei Tagen durchs Parlament. Die gewählten Volksvertreter entscheiden also im Eiltempo, dass Deutschland in einen blutigen, Jahre dauernden und hochkomplexen Krieg eintritt.

Wurde in der Bundesrepublik jemals ein so schwerwiegender Beschluss so schnell gefasst? Was Koalitionspolitiker als „ambitionierten Zeitplan“ schönreden, ist in Wirklichkeit eine Frechheit. Union und SPD entmündigen nicht nur das Parlament, indem sie es zum Erfüllungsgehilfen degradieren. Sie brüskieren mit diesem Schnellverfahren auch die deutsche Öffentlichkeit.

Gern betonen die Kanzlerin und ihre Minister, wie stolz sie darauf sind, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Schließlich haben in Deutschland die Abgeordneten das letzte Wort über einen Krieg, anders als etwa in Frankreich. Diese historisch begründete Regel ist wertvoll, weil die Abgeordneten die Sorgen normaler Menschen zu hören bekommen. Der Parlamentsvorbehalt ist eine eingebaute Bremse, er soll verhindern, dass eine Regierung unbedacht in einen Krieg stolpert.

Genau das passiert bei dem Syrien-Einsatz. Die Abgeordneten haben keine Chance, sich mit den Risiken zu beschäftigen. Sie beschließen auf Basis vager Fakten, getrieben von der Staatsräson. Zu besichtigen ist etwas Neues in Deutschland, nämlich ein Krieg ohne Debatte. Wenn Koalitionspolitiker nun betonen, die Tornados klärten ja nur auf, ist das die halbe Wahrheit.

Die Kampfjets liefern Aufnahmen von Tankwagen, Dörfern und IS-Stellungen. Sie töten mit, denn sie bereiten Bombardierungen vor. Und darüber soll nicht gestritten werden? Nun ja, sagen die Befürworter, die Solidarität zu Frankreich wiege eben schwer. Das stimmt. Aber Solidarität ist kein Argument für übereilte Entscheidungen. Auch wer den Krieg gegen den IS richtig findet, muss sich die Zeit nehmen, dies gegenüber einer skeptischen Bevölkerung zu vertreten.

Wurde hier jemals ein so schwerwiegender Beschluss so schnell gefasst?

Vor dieser Pflicht drückt sich die Regierung. Sie will das Thema vom Tisch haben, weil sie weiß, dass die wichtigsten Fragen offen sind. Wer bekämpft den IS am Boden? Ist Putin der richtige Bündnispartner? Was passiert mit Assad? Merkels Regierung weiß es nicht. Aber den Krieg, der von solchen Faktoren bestimmt werden wird, hat sie schon beschlossen.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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