Kommentar Bekämpfung des IS: Handeln müssen die Nachbarn

Der IS konnte nur in den zerfallenen, kriegsgeplagten Staaten Irak und Syrien entstehen. Genau dort muss auch die Problemlösung ansetzen.

Die Ruinen des syrischen Bürgerkrieges als Grundlage für den Aufstieg des IS. Bild: reuters

Hektisch doktert die Welt am Symptom IS herum. Waffen werden geliefert, militärische Koalitionen geschmiedet und Luftangriffe geflogen. Jeden Tag ereilen uns neue Meldungen von der Front. Will man aber die Ursache bekämpfen, muss man sich politisch mit den Bedingungen auseinandersetzen, in denen die IS geschaffen wurde und wachsen konnte. Denn nur kranke Köpfe schneiden Köpfe ab. Die Frage muss also lauten: Unter welchen Bedingungen konnte es zu diesen kranken Ausformungen kommen?

Auch wenn dieser Tage in typisch eurozentristischen Debatten die Biografien jener zugereisten Dschihad-Kämpfer aus Europa zerlegt werden, um hinter der Ursache für die Attraktion zu kommen, die der IS offensichtlich darstellt – das Gros der Dschihadisten wurde in den Ruinen Syriens und zuvor während der blutigen Nachkriegszeit im Irak sozialisiert. Der IS konnte dort entstehen, wo ganze Landstriche aus dem politischen System ausgeschlossen waren. Und es waren die Assads und die Malikis, die dieses Monster mitgeschaffen haben.

Aber auch der Westen steht nicht auf der moralisch sicheren Seite. Vor allem im Irak hat er zuerst mit der Unterstützung Saddams, dann mit jahrelangen Sanktionen und später mit der Auflösung des Staats und der Armee dieses Monster mitkreiert.

Zwei Dinge sind für eine politische Kehrwende jetzt wichtig. Der syrische Bürgerkrieg muss beendet werden, ohne dass der IS-Geburtshelfer Assad an der Macht bleibt. Die irakischen Sunniten müssen erstmals seit Saddam wieder politisch integriert werden, damit sie in ihrer Verzweiflung nicht den IS als Erlöser sehen.

Der Schlüssel zur Lösung liegt in der Region selbst. Sowohl der Krieg in Syrien als auch die chaotische Lage im Irak sind Ausdruck der ausufernden Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Hier geht es um Einflusszonen. Dass beide Kräfte inzwischen ebenfalls Angst vor den Geistern bekommen haben, die sie gerufen haben, lässt hoffen, dass sie bald eine Annäherung suchen. Erst dann nämlich kann der syrische Krieg beendet und im Irak ein wirklicher politischer Ausgleich gefunden werden.

In der Zwischenzeit kann man gespannt nach Washington blicken, wo US-Präsident Obama am Mittwoch seine neue Strategie gegen den IS präsentiert. Die wesentlichen Veränderungen werden aber in Teheran und Riad angeschoben.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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