Kommentar Atommüll: Kein Wolkenkuckucksheim

Der Atomausstieg und seine strahlende Erblast ist Teil der Energiewende, auch wenn manche das inzwischen gerne verdrängen möchten.

Die Erkenntnis ist nicht ganz neu, im Einzelfall aber immer wieder schmerzhaft: Regieren ist kein Wunschkonzert. Das spüren jetzt vor allem Schleswig-Holsteins Grüne bei ihren Debatten über die Lagerung von Atommüll.

Natürlich will den niemand gerne haben, und natürlich wäre es besser gewesen, den radioaktiven Schrott erst gar nicht zu produzieren. Aber er ist nun mal da, und nach dem Verursacherprinzip ist der Absender verpflichtet, seinen Müll auch wieder zurückzunehmen und selbst zu lagern – sicher, versteht sich.

Das wissen selbstredend auch die Grünen, das wissen genau so gut auch die Umweltverbände. Und alle finden es im Grundsatz gut, dass Schleswig-Holsteins grüner Energieminister Robert Habeck mit seinem Angebot das Endlagersuchgesetz retten und weitere Castor-Transporte ins Wendland verhindern wollte.

Wenn Gorleben-Aktivisten daraus aber die Forderung ableiten, Transporte nur noch zu erlauben, wenn die Endlagerung gesichert ist, ist das ein atompolitisches Wolkenkuckucksheim. Das Zwischenlager am stillgelegten Pannenmeiler Brunsbüttel nicht zu nutzen, wäre das St.-Florians-Prinzip an der Unterelbe.

Dass ausgerechnet der Grüne Habeck – zusammen mit den Grünen in Baden-Württemberg – sich der Aufgabe stellt, die strahlende Erblast zu bewältigen, die andere Parteien und deren Partner in der Atomwirtschaft angerichtet haben, das ist verantwortungsvolle Politik. Und nebenbei ergibt sich für Grüne und SPD in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, die Bundesregierung und die traditionell atomkraftfreundlichen Bundesländer Bayern und Hessen zu piesacken. Alle drei schwarz-gelben Regierungen wollen sich vor den Wahlen im Bund und in beiden Ländern im September aus der Verantwortung stehlen: Ihre AKWs wollen sie behalten, aber den Abfall loswerden – widersinniger geht es kaum.

Richtig ist deshalb, dass Schleswig-Holstein darauf dringt, dass noch weitere Bundesländer mitmachen. Und geschickt ist es, das mit der Forderung nach verstärkter Förderung der Windenergie zu verbinden. Der Atomausstieg ist Teil der Energiewende, auch wenn manche das inzwischen gerne verdrängen möchten. Und eben das sollte auch die grüne Basis in Schleswig-Holstein nicht tun.

Vor zwei Jahren hatten sie im Lande drei AKWs, eine Menge Atommüll und keine großen Aussichten auf Offshore-Windenergie. Jetzt haben sie nur noch einen Meiler, dieselbe Menge Schrott und gute Perspektiven beim Blick aufs Meer.

Sicher: Die Welt könnte schöner sein. Aber so schlecht ist die Realität nicht.

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