Kommentar Abtreibungswerbung: Das ewige Tabu

Die Ärztin Kristina Hänel muss 6.000 Euro zahlen, weil sie Abtreibungen als Leistung auf ihrer Homepage anbietet. Das Urteil ist leider keine Überraschung.

Plakat gegen die §§ 218 und 219a

Weg mit den Paragrafen: Demo vor dem Amtsgericht in Gießen Foto: dpa

Dass das Gießener Amtsgericht die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt hat, weil diese auf ihrer Homepage veröffentlicht, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet, ist weder eine Überraschung noch ein Skandal. Das Gericht folgte in seiner Entscheidung lediglich dem Gesetz, das es möglich macht, Informationen über Abtreibungen als Werbung auszulegen.

Es ist zu hoffen, dass die öffentliche Aufregung über diesen Fall – es ist nicht der erste- , dazu führt, dass endlich über den Paragrafen 219a diskutiert wird und vielleicht ein Gesetzgebungsverfahren in Gang kommt. Die Linke hat dazu bereits einen Entwurf vorgelegt. Die anderen Parteien, die sonst so gerne Frauenrechte hochhalten, sollten jetzt nachziehen.

Denn wer eine Schwangerschaft abbrechen möchte, muss sich unabhängig darüber informieren können, wo dies geschieht und auch welche Methoden und Narkosemöglichkeiten eine Praxis oder eine Klinik anbietet. Bisher sind Frauen darauf angewiesen, dass ihre Gynäkologin oder eine Beratungsstelle ihnen sagt, an wen sie sich wenden können.

Es wäre besser, wenn Frauen, die sich bereits sicher sind, dass sie das Kind nicht bekommen wollen, sich diesen Umweg sparen könnten. Denn in der Regel wissen sie nicht, welche Haltung der Gynäkologe oder die Gynäkologin zum Thema hat. Es gibt auch heute noch Frauenärzt*innen, die ungebeten den Herzschlag des Fötus auf dem Ultraschallmonitor zeigen und die Frau auffordern, das Kind auszutragen.

Ob die Praxen und Kliniken allerdings tatsächlich die Informationen ins Netz stellen, wenn dies nicht mehr verboten ist, ist nicht gesagt. Schließlich riskieren sie damit, in den Fokus von Abtreibungsgegner*innen zu geraten. Gerade Kliniken – in manchen Bundesländern finden dort die Hälfte aller Abbrüche statt – werden sich das drei Mal überlegen, denn sie werben lieber mit ihren besonders liebevoll gestalteten Kreißsälen als mit Abtreibungen.

Denn diese sind in Deutschland nach wie vor extrem tabuisiert – was auch am rigiden Abtreibungsgesetz liegt. Daher birgt die große Empörung darüber, dass das allwissende Internet seriöse Informationen über Schwangerschaftsabbrüche nicht hergibt, eine große Gefahr: Dass das eigentliche Problem vergessen wird. Und das ist nach wie vor der Paragraph 218, der Abtreibungen als Tötungsdelikt unter Strafe stellt und damit Fundamentalist*innen in ihrem Feldzug gegen Abtreibungsärzt*innen legitimiert.

Einer ihrer Erfolge ist, dass immer weniger Ärzte und Ärztinnen bereit sind, diese medizinische Dienstleistung anzubieten und Frauen deswegen in manchen Regionen 100 Kilometer und mehr für einen Abbruch fahren müssen. Dieses Thema wäre doch auch mal eine Aufregung wert.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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