Kommentar Abgelehnte AfD-Kandidatin: Aushalten wäre besser gewesen

Der Bundestag lässt Harder-Kühnel erneut durchfallen. Das ist ein Verstoß gegen die Regeln, die sich das Parlament aus gutem Grund selbst gegeben hat.

Abgeordnete im Bundestag

Nach der Satzung des Bundestages steht der AfD ein Sitz im Präsidium zu Foto: dpa

Die Zahl ist stark. Entschieden. 423 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt. Enthaltung dagegen, das hat einen negativen Beigeschmack. Es klingt nach Sich-Raushalten, Unbeteiligt-Tun. Eine Enthaltung kann aber auch eine bewusste Entscheidung für etwas sein, das einem extrem widerstrebt – und das aus manchen Gründen vielleicht doch richtig ist. Hätten sich deutlich mehr als 43 Bundestagsabgeordnete für eine Enthaltung entschieden, hätte das die Wahl der AfD-Politikerin Mariana Harder-Kühnel zur Bundestagsvizepräsidentin möglich gemacht. Es wäre die richtige Entscheidung gewesen.

Natürlich spricht vieles dagegen, die Vertreterin einer Partei, die den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ bezeichnet, den Parlamentarismus schlecht macht, die autoritäre und antidemokratische Züge hat und gegen MigrantInnen hetzt, mit der Leitung des Bundestages zu betrauen. Die vielen Nein-Stimmen sind also absolut verständlich – und ohnehin ist jeder Abgeordnete in seiner Stimme frei.

Doch nach der Geschäftsordnung des Bundestages steht der AfD ein Sitz im Präsidium zu. Den ersten AfD-Kandidaten für dieses Amt haben die Abgeordneten wegen seiner Aussagen über die Religionsfreiheit für Muslime zu Recht dreimal durchfallen lassen. Von Harder-Kühnel, die in der AfD-Fraktion zu den Moderateren zählt, sind solche Aussagen aber nicht bekannt, gegen sie hat – jenseits ihrer Parteizugehörigkeit – im Bundestag bislang niemand ein Argument vorgebracht.

Dass der Bundestag sie nun noch einmal hat durchfallen lassen, ist ein Verstoß gegen die Regeln, die sich das Parlament aus gutem Grund selbst gegeben hat. Das ist falsch. Nicht nur, weil sich die AfD wieder als Opfer inszenieren kann und eine vermeintliche Begründung hat, im Parlament Rabbatz zu machen. Entscheidend ist, dass sich der Bundestag an seine Regeln halten sollte, unabhängig davon, um wen es geht. Und dass er eine Harder-Kühnel locker ausgehalten hätte. Und die hiesige Demokratie auch.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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