Kommentar Abgaspolitik: Dobrindts Reißleine

Der Verkehrsminister will ein Institut für Abgasmessungen einrichten. Er muss aber beweisen, dass das nicht nur eine Alibiveranstaltung ist.

BUND-Aktivisten halten ein Transparent

Aktivisten des BUND übergeben am Dienstag vor dem Bundesverkehrsministerium eine Petition mit dem Titel „Schluss mit schmutzig!“ Foto: dpa

Ein toller Erfolg für die Deutsche Umwelthilfe! Mit kleinster Man- und Fraupower treibt der von ständigen Hackerangriffen drangsalierte Umweltverband seit Monaten eine milliardenschwere Industrie vor sich her. Im Wochenrhythmus veröffentlicht er immer neue Messergebnisse zu den Umweltverbrechen der Automobilindustrie mit ihren Dieselboliden und zum Keuchhustenklima unserer Innenstädte.

Jetzt hat, drei Monate vor der Bundestagswahl, Verkehrsminister Dobrindt (CSU) die Reißleine gezogen. Er will ein neues Institut für Emissionsmessungen gründen und jedes Jahr 70 Autos im realistischen Alltagsbetrieb testen. Da sollen auch NGOs in den Beirat eingebunden werden. Die Messergebisse, verspricht er, werden online voll transparent veröffentlicht. Immerhin.

Ob aus dem Institut mehr wird als eine reine Alibiveranstaltung, wird von seiner Unabhängigkeit abhängen. Der Etat von zwei Millionen Euro erscheint kümmerlich. Und die Finanzierung durch die Automobilindustrie wird keine wirkliche Unabhängigkeit zulassen.

Ebenso ist die Fixierung auf neu auf den Markt kommende Fahrzeuge eine Finte. Es geht im Dieselskandal ja vor allem um die bestehende Flotte und deren giftige Ausscheidungen – teilweise um den Faktor 50 über dem Erlaubten. Das industrienahe Kraftfahrtbundesamt wird zudem keinesfalls entmachtet, sondern bleibt weiter für die „amtlichen“ Fahrzeugtests nach standardisierten Vorgaben zuständig.

Wenn es Dobrindt ernst meint, muss er das Institut beim Umweltbundesamt ansiedeln. Oder er verzichtet auf die Neugründung und wertet eines der bestehenden Institute auf, die derzeit einen guten Job machen. Inzwischen hat die Umwelthilfe mehr als 700 Tests veranlasst und über 60 Autotypen überprüft, von denen die meisten Tag für Tag gegen Gesetze und Abgasvorschriften der Bundesrepublik verstoßen. Dobrindts Institutsidee wird die wirklich unabhängigen Messungen nicht stoppen und einen der größten Umweltskandale unseres Landes nicht entsorgen können.

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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