Kolumne Vom Überleben in der Krise: Dagobert Duck irrt sich

Dagobert Duck tappte in die Liquiditätsfalle, als er in seinem Geld lieber badete, statt es auszugeben. Heutzutage herrscht ein ähnliches Prinzip.

Dagobert Duck irrt sich gewaltig Bild: dpa

Nach jahrelanger Finanzkrise ist die Suche nach einer neuen Leitfigur wirtschaftlich verantwortungsvollen Handelns voll im Gange. Wer hätte das gedacht: Dagobert Duck wird gerade nicht nur 65 Jahre alt. Der Geizkragen wird auch von vielen als der neue Antiheld zum vollends gescheiterten homo oeconomicus gehandelt.

Woher der Reichtum kommt, spielt in Entenhausen keine Rolle. Vielmehr, wie er damit umgeht. Dagobert hat sein Gold, die Taler und die vielen Kreuzer in einem riesigen „Geldspeicher“ gebunkert. Damit zu prassen ist ihm fremd. Der Extremgeizling zieht lieber aus der sinnlichen Wahrnehmung seines Reichtums Nutzen – beim Baden.

Letztlich hat Onkel Dagobert nur einen Feind. Das ist die, allerdings komplett erfolglose, Panzerknackerbande. Der gebende und nehmende Staat hat zudem in Entenhausen keinen Platz. Von Vermögensabgabe oder dauerhafter Vermögensteuer ist nie die Rede. Dagobert trägt nicht zur Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur sowie eines Sozialsystems für Ärmere bei.

Und doch lobt Peer Steinbrück, im selben Jahr wie die Comic-Ente geboren, die tugendhafte Sparsamkeit von Krösus Dagobert. Es bedürfe mehr Dagoberts, die ihren Reichtum in Panzerschränken lagern. Die Volkstugend „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ schimmert beim auch nicht gänzlich abgebrannten SPD-Kanzlerkandidaten durch. Die gesamtwirtschaftlich negativen Folgen interessieren Steinbrück beim Loblied auf das Horten nicht, zur Besteuerung des Goldvermögens schweigt er.

Im radikalen Gegensatz dazu hält die Occupy-Bewegung Dagobert für die personifizierte Fratze des von Gier getriebenen Finanzkapitalismus. Auch nach marxscher Terminologie ist der Schatzbildner die gruseligste Fratze des Kapitalisten. Die Aktivisten irren gründlich. Dagobert Duck nutzt nämlich nicht jeden Tag Telefone oder sogar den PC, um weltweit nach Renditen für sein Vermögen zu suchen. Auch sind ihm Spekulationsgeschäfte zuwider. Er ist eine Antiheuschrecke. Die Primitiv-Dagobert-Ökonomie hätte Immobilien- und andere Blasen auf den Finanzmärkten nicht möglich gemacht.

Dagobert ist aus einem anderen Grund der Totengräber moderner Ökonomien. Sein Reichtum arbeitet nämlich nicht. Er wird nicht zur Finanzierung von öffentlichen und privaten Sachinvestitionen eingesetzt. Wer spart, belastet schließlich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Der Reichtumserpel personifiziert den wirtschaftlichen Akteur, der die von John Maynard Keynes entdeckte Liquiditätsfalle öffnet.

Erwirtschaftetes Geld wird dem Kreislauf entzogen – durch das Bad im Gold. Die heutige Liquiditätsfalle ist anders begründet. Konzerne und reiche Privatiers lassen Einkommen massenhaft als Liquidität per Sicht- und Termineinlagen praktisch zinslos auf ihren Bankenkonten liegen.

Sie tun dies nicht mit der Lust Dagoberts, sondern aus purer Verzweiflung. Allein Deutschlands Unternehmen bunkern derzeit über 270 Milliarden Euro als kurzfristige Liquidität auf ihren Konten. Ursache sind ihre pessimistischen Absatzerwartungen, auch eine Folge der Banken- und Finanzmarktkrise.

Aus Dagoberts gesamtwirtschaftlicher Blindheit lassen sich mehrere Lehren ziehen: Es geht zum einen nicht ohne makroökonomische Politik sowie einer Regulierung der Märkte. Wichtig ist es, die anhaltende Vertrauenskrise abzubauen. Die Liquidität muss wieder den Weg in die Finanzierung von Sachinvestitionen und in die Stärkung privaten Konsums finden.

Dabei kommt dem Staat eine wichtige Rolle zu. Das Gold muss nach dem Prinzip ökonomischer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Wer hortet, wie Dagobert, sollte zudem mit einer Substanzbesteuerung zugunsten der Finanzierung öffentlicher Ausgaben nicht nur in Entenhausen rechnen müssen.

Zur Versöhnung: Aus den Einnahmen lässt sich auch der Kampf gegen Panzerknackerbanden und andere Arten der Kriminalität finanzieren.

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