Kolumne Pressschlag: Bunte Bundesliga

Zum Auftakt der Rückrunde leuchtet es in der Liga orange, zuckerwattensüßrosarot, grau und grausam. Und gleich wird auch wieder der geliebte Unsinn geredet.

Alle wieder da. Und Bayern macht Tore. Hach Bild: reuters

Heißa, der Entzug hat ein Ende, es wird wieder gespielt. Doch Fußball ist ein seltsamer Stoff. Da hattest du gerade dieses hinreißende WM-Handballspiel der Deutschen gegen Frankreich gesehen, danach folgt als Highlight der Rückrundenstart der Bundesliga. Schalke! Hannover! Und was gibt es? Pure Ödnis, jedenfalls 45 Minuten lang. Unglaubliche Langeweile. Mängel, wohin man sah.

Erst ein Zufallstreffer beim Halbzeitpfiff, ausgelöst durch einen Einwurf, der für einen Kaderplatz bei den deutschen Handballern gereicht hätte, wäre der Werfer nicht Österreicher (Fuchs), weckte einen aus dem Schlaf. Am Ende schäumten alle vor Begeisterung: 5:4. Neun Tore, Saisonrekord.

Zuletzt vor 31 Jahren waren acht Bundesligatore in einer Halbzeit gefallen. Und gleich wurde auch wieder der geliebte Unsinn geredet. Hannovers Jan Schlaudraff: „Wenn man auswärts vier Tore schießt und nichts mitnimmt, ist das bitter.“ Wäre es daheim süßer? Eben, sogar noch bitterererer.

ist freier Sportautor mit Schwerpunkt Fußball und Golf und schreibt regelmäßig für die taz.

Wahnsinnsspiel, irrsinnig, für die Geschichtsbücher, wie die Beteiligten unisono anmerkten? Sinniger wäre: Es war ein Spiel, in dem ganz banal jeder Schuss ein Treffer war. Die beiden überschätztesten deutschen Torhüter, Ron-Robert Zieler und Timo Hildebrand, hätten den Abend auch vor der Glotze verbringen können. Das Spiel wäre genauso 5:4 ausgegangen.

Was sich die Linienwärter Trapp, Leno, Weidenfeller und der vielhändige Freiburger Baumann gedacht haben? Insbesondere Hildebrand wird auf Schalke allmählich zur grotesken Figur: Er macht zwar keine besonderen Fehler, fliegt auch beeindruckend, hält seine Finger aber konsequent aus jeder Aktion heraus.

Seit ein paar Jahren wird die Bundesliga international gehypt ohne Ende, weil sie, vor allem im riesigen Asien, bislang nicht so goutiert wird wie Spanien und England. Das ärgert die Vermarkter. Also redeten sie beim Auftakt (live in 200 Ländern zu sehen) alles zuckerwattensüßrosarot. Dass dieser Herr Guardiola sich bald die Ehre gibt, soll das Produkt als Ganzes noch schillernder machen.

Am Samstag hatte uns der Alltag wieder: zwei graue Nullnulls, Schiedsrichter-Ulk in Mainz, verheerend überlegene Bayern, spektakuläre Dortmunder, alles wie gehabt – und dazu Frankfurter Pyromanen mit ihren orangeroten Anschlägen. Gleich wird die endlose Ultra-Diskussion wieder ausgezankt.

Hannover 96 erwägt einen Pyro-Zuschlag, und das nicht für das spielerische Feuerwerk aufm Platz. Leverkusen will die Kosten der Kontrollen beim nächsten Eintracht-Gastspiel umlegen, um die Verbandsstrafen zu refinanzieren. Nur wie? Aufschläge für Auswärtstickets? Gebühren für Nacktscanner? Inkludiert das die Erlaubnis für neue Randale? Feuer frei! Dann hätte sich das Ärgernis sicher bald erledigt. Erlaubtes Zündeln macht wenig Spaß. Frag den Sportsfreund Marcuse: repressive Toleranz als Problemlösung.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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