Kolumne Press-Schlag: Kein Tor. Nirgends

Der Vater will dem Sohn die Bundesliga näherbringen. Karten gibt es nur noch für den Gästeblock – für den des FC Ingolstadt. Ausgerechnet.

Schiedsrichter zeigt Gladbacher Spieler (Granit Xhaka) die rote Karte

Immerhin ein Frustfoul. Viel mehr Spektakel war nicht in Gladbach Foto: dpa

Diese Geschichte muss als Dokument umfänglichen Scheiterns niedergeschrieben werden. Gedacht war sie so: Vater (sonst umhegt im Getto der Pressetribüne) geht mit dem Sohn (Lionel, 9) zu dessen erstem Bundesligaspiel (Borussia Mönchengladbach, Mythosklub). Weil es nur noch Karten für den Gegnerblock gab (Ingolstadt, graue Audi-Maus), nimmt man halt diese. Und dann möge sich neben dem Fußballerlebnis als Lernziel (nein, mein Sohn, die Ligawelt ist eben nicht so heile wie in den schönen Fernsehbildern) als Kontrast das ganze Programm der Ungastlichkeit in einem zeitgenössischem Stadion offenbaren.

Ungastlichkeit? Ja, man pfercht Gästefans gemeinhin in die hinterste Ecke einer Arena, mit guter Sicht nur auf Absperrgitter, ist umringt von unfreundlichen Ordnungskräften, die einen unter dem Generalverdacht des Hooltums vorher filzen bis auf die Haut. Trikots der anderen (hier: Lionels vom Klassenkumpel geliehenes Gladbach-Hemd) sind verboten wie Pyrotechnik und werden dem Kind womöglich vom Leib gerissen, um den Mob nicht zu provozieren. Nach dem Schlusspfiff wird man schließlich eine Weile eingekesselt im Stadion bleiben müssen, um jeden Kontakt zu Einheimischen zu vermeiden.

Pustekuchen, Pfeifendeckel, war alles nicht: Weil sich der Fanandrang aus Ingolstadt auf ein paar hundert fröhliche Dauersänger nebenan beschränkte, war unser Gästebereich zum Familienblock der Einheimischen umgewidmet worden. Wir fanden uns inmitten grün-weiß-schwarzer Kinderscharen samt Eltern wieder. Stimmung: Wie beim Schulausflug. Immerhin: Unser Rucksack war am Eingang durchsucht worden und eine leere kleine Plastikflasche moniert (“die bitte in den Abfalleimer“).

Was blieb: Fachsimpelei über Gladbachs historisches Match. Es war André Schuberts erster Punktverlust in der Bundesliga, nach sechs Siegen. Kein neuer Startrekord also für einen neuen Trainer. Hat das seine Chancen auf Festanstellung verschlechtert oder sogar verbessert, weil man jetzt nachspüren kann, wie der Überflieger in Momenten des Misserfolgs ein Team führen kann? Schuberts Elf war sichtlich fahrig nach dem HighlightSpiel unter der Woche gegen Juve, womöglich unterbewusst überheblich. Der Coach hat das nicht verhindert, zudem wechselte er mäßig nachvollziehbar.

Eine Parade und Frustrot

Und da waren ganz stark organisierte Ingolstädter. Immer wach, immer hellseherisch zweite Bälle antizipierend, Überzahl überall. Nur vorne – oh je. Kein Wunder, dass der Neuling großartig dasteht, aber erst sieben Tore geschossen hat.

Keine Tore – Lionel ist schließlich etwas enttäuscht. Auch wenn es noch eine Riesenszene in der Schlussphase gab (Özcans Spektakelreflex gegen Hazard), dazu Xhakas Frustrot. Wenigstens einen Torschrei hatte er sich gewünscht beim ersten Mal, sagt Lionel nachher. Kein Trost war ihm, dass des Vaters Premiere seinerzeit (vor Jahrzehnten) komplett danebenging (Duisburg – 1860 1:2). „Da hattest du wenigstens ein Tor.“ Auch wahr. Aber vielleicht hat er von Ingolstadts toller Spielorganisation etwas für seine E-Jugend gelernt.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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