Kolumne Press-Schlag: Kathartisches Kicken in der 2. Liga

Ein Abstieg wäre überhaupt nicht schlimm, liebe Stuttgarter – im Gang ins Unterhaus lägen sogar Chancen, vor allem wenn Zorniger neuer Trainer wird.

Huub Stevens Tage beim VfB sind gezählt Bild: dpa

Nun ist es ja keinesfalls so, dass der in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart residierende Verein für Bewegungsspiele schon abgestiegen wäre. Drei Partien – die am heutigen Samstag gegen Mainz, dann gegen die Konkurrenten Hamburg und Paderborn (auswärts) – stehen noch aus, bis die Fans aus Cannstadt oder Böblingen wissen, ob der VfB absteigt, drinbleibt oder in die Verlängerung (Relegation) muss.

Derzeit spricht vieles dafür, dass Stuttgart, das gerade drei Punkte Rückstand auf einen Relegationsplatz hat, tatsächlich absteigt. Zum zweiten Mal in der Bundesliga nach 1975. Wäre das wirklich so schlimm?

Nehmen wir mal das Beispiel Hamburger SV. Die Fans des HSV gaben sich bis vor wenigen Spieltagen noch äußerst resignativ – viele hielten den Abstieg in die Zweite Liga für einen gangbaren Weg, hieße dies doch gleichbedeutend, dass der Klub damit vor einem kompletten Neuaufbau stünde.

Moment mal, das ist ja erst drei Spieltage her! Inzwischen ist „Big Bruno“ Labbadia da – und mit ihm eine weitaus verbesserte Ausgangslage. Die Bundesliga-Uhr könnte fröhlich weiterticken. Aber um welchen Preis? Weitere drei, vier, fünf Jahre Durchgemurkse? Mal sehen, wie viel Zeit man Labbadia gäbe, wäre er schon bald wieder Little Bruno.

Schlechtes Arbeitszeugnis für Stevens

Zurück nach Stuttgart. In dieser Saison hat man auf akute Abstiegsbedrohung äußerst rückwärtsgewandt reagiert: Mit Huub Stevens holte man Ende November den Coach, der schon mal als Retter fungiert hatte. Und Robin Dutt, der nie wieder in seinem Leben einen Bürojob wollte, lud man nach dessen weitestgehend visionsarmem Gastspiel an der Seitenlinie in Bremen, genau, ins Büro, als Sportdirektor.

Der Wille ist dem Stuttgarter Team nicht abzusprechen – eine Handschrift ist unter der Stevens-Dutt-Ägide aber nicht zu erkennen. Stevens wirkte oft abgegessen. Berücksichtigt man, wie viel Zeit er – etwa im Vergleich zu Big Bruno – hatte, um den Schwaben, mit Sicherheit nicht mit dem schlechtesten Kader der Liga ausgestattet, ein neues Gesicht zu geben, hat er einen schlechten Job gemacht.

Eine gute Nachricht für den VfB ist es daher, dass Ex-RB-Leipzig-Coach Alexander Zorniger zu Beginn der neuen Saison Trainer werden soll. Und vielleicht wäre eben auch so ein Zweitligaaufenthalt gar nicht so schlimm – wenn man ihn zu nutzen wüsste, um ein Perspektivteam zu formen. Was der Wochenend-Gegner Mainz etwa nach dem Wiederaufstieg 2009 geleistet hat, darf als vorbildlich gelten.

Also sollen sie doch fröhlich ins eigene Verderben rennen? Sicher nicht. Aber ein Abstieg böte auch Chancen. Sollte Zorniger kommen – und daran besteht wenig Zweifel –, so könnte dieser in Ruhe an der Reformation arbeiten. Wenn Spieler wie Antonio Rüdiger, Filip Kostic und Daniel Ginczek überhaupt in Liga zwei zu halten wären, dann dank eines Trainers mit Vision, Spielidee und klarem Konzept.

Ein solcher dürfte Zorniger sein. Und sollte doch der Ausverkauf kommen: muss man eben bei Null starten. Auch gut. Denn dann muss man sich was einfallen lassen. In Liga eins wartet auf die Schwaben stetige Unruhe im Klub, ein möglicherweise dauerhaftes Dasein im Liga-Mittelfeld, vielleicht Durchgewurschtel. Liga Zwei aber könnte den Stuttgartern wirkliche Katharsis bescheren.

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