Kolumne Nullen und Einsen: Das sind ja drei Wünsche auf einmal!

Online-Werbung kann nerven, klar. Die kleingeistige Abgreifermentalität vieler Internetnutzer kann aber noch viel mehr nerven.

Spannung, Spiel, Schokolade und am Ende auch noch Bargeld? Das geht nun wirklich nicht! Bild: dpa

Neulich habe ich auf taz.de ein neues Sonderwerbeformat entdeckt. Neben dem üblichen Banner über der Kopfleiste gab es vorübergehend noch einen weiteren, zwischen der Kopfleiste und dem ersten Artikel. Es war Werbung für ein Kinderfußballturnier und schob den Rest soweit runter, dass vom Aufmacherartikel gerade noch die Überschrift und der oberste Rand vom Bild zu sehen waren. Redaktionelle Inhalte auf der Startseite: Unter 15 Prozent. Erschreckend.

Ja nutze ich denn etwa nicht den Adblocker zum Werbung-Wegschalten? Nein, tue ich nicht. Online-Werbung ist schließlich das, was meine Branche demnächst finanzieren soll. Außerdem finde ich es prinzipiell nicht sooo unzumutbar, Reklame manuell zu ignorieren. Auf der Straße lese ich mir ja auch nicht jede Litfaßsäule durch.

Prinzipiell unzumutbar finde ich eher die Abgreifermentalität von vielen Netznutzern: Alles haben wollen, nix dafür zahlen wollen und über Macken schimpfen. Und das nicht vor dem Hintergrund einer großartigen sozialistischen „Alles für alle“-Vision, sondern einfach aus einem Egoismus, der genauso kleingeistig ist wie diese Sorte Schnäppchenjäger, die ihre gesamte Freizeit damit verbringt, bei Gewinnspielen mitzumachen und sich dann empört zeigt, wenn die Preise nicht in drei Tagen da sind.

Drei Wünsche haben diese Leute: 1. Es soll keine Internet-Werbung geben. Wird sie bei einem Dienst irgendwann eingeführt, gilt das als grauenvolle Zumutung, über die man sich lange auslässt. 2. Alles soll umsonst sein. Versuchen es Medienseiten mit Paywalls, werden sie als rückständige Nullchecker verlacht. Extra-Features, die nur zahlende Premium-Kunden nutzen dürfen, gelten als Einstieg in eine Zweiklassengesellschaft. 3. Jede Macke, jede Serverüberlastung, jeder Tippfehler wird zwischen spöttisch bis beleidigt kritisiert.

Nun kann man 1. und 3. wollen, das ist legitim – man muss nur dafür zahlen. Man kann auch 2. und 3. wollen, weil man nicht genug Geld hat oder nur geringes Interesse – dann muss man aber eben Werbung ertragen, oder dass die eigenen Benutzerdaten verkauft werden. Man kann sogar 1. und 2. wollen, sollte dann akzeptieren, dass Journalisten in Zukunft noch mehr voneinander abschreiben und hektisch redigirte artikel voller Fehlre raushauen, weil einfach zu wenig Geld da ist. Aber alle drei Sachen auf einmal? Das geht nun wirklich nicht. Das Internet ist doch nicht das Überraschungsei.

Das Problem ist nur: Wenn eine Startseite dann so aussieht wie die von taz.de an jenem Tag, geht es auch nicht. Man stelle sich ein Zeitungstitelblatt so vor. Wobei taz.de ja noch harmlos ist, im Vergleich zu Seiten, die von Ebay-Kleinanzeigen zerhackstückt oder von selbst startenden Film-Overlay-Bannern verdeckt werden. Und dann kann ich die Leute eben doch verstehen, die das mit ihrem Adblocker komplett frei räumen. „Viel hilft viel“ funktioniert bei Online-Werbung nicht, wer sich das eigene Produkt kaputtbannert, verliert am Ende alles.

Was ich mir wünsche, ist ein Pakt: Wir schalten alle unsere Adblocker wieder aus und die Werbeindustrie hört mit dem ganzen blinkenden Video-Sound-Unsinn wieder auf, oder Webseitenbetreiber nehmen solche Anzeigen aus Prinzip nicht mehr an. Wenn sich beide Seiten bewegen, wird es vielleicht doch noch was mit dem Geld verdienen im Internet. Wäre doch schön.

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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