Kolumne Nach Geburt: Die Kröte Kind mitschlucken

Weil sie Frauen für die Politik gewinnen wollen, möchten manche Politiker die Kinderbetreuung ausbauen. Ist denen das nicht peinlich?

Ein Mann trägt ein Kind auf den Schultern

Auch an Männern kleben Kinder Foto: Sebastian Wells

Vor Kurzem habe ich einen Artikel in meiner Zweitlieblingszeitung, den Husumer Nachrichten, gelesen: Es ging um das Paritätsgesetz, das in Brandenburg gerade verabschiedet wurde. Es schreibt vor, dass auf den Wahllisten der Parteien auf jeden Mann eine Frau folgen muss – oder umgekehrt.

SPD und Grüne sind dafür, solch ein Gesetz auch in Schleswig-Holstein einzuführen, die anderen Landtagsfraktionen sind dagegen. Auch die FDP will solch ein Gesetz nicht. Aber deren Fraktionsvorsitzender Christopher Vogt möchte natürlich dennoch „noch viel mehr Frauen dafür begeistern, in unserer Partei mitzumachen“, sagt er. Und deswegen biete die FDP mittlerweile „professionelle Kinderbetreuung auf Parteitagen“ an.

Das ist ja ganz löblich. Aber: Wenn ich solche Sachen lese, frage ich mich immer, ob es Männern – uns, mir, Ihnen – gar nicht peinlich ist, so was zu sagen. Impliziert es doch, dass es in den politischen Männervereinen jahrzehntelang auch ohne solchen Kladderadatsch ging.

Dass Väter auch ohne Kinderbetreuung ganz gut am Parteileben teilnehmen konnten. Aber jetzt, da man Frauen gewinnen will, muss man halt auch Kinderbetreuung anbieten. Schließlich kann man von den Männern nicht das Gleiche erwarten wie damals von den Frauen: dass sie schön zu Hause bleiben.

Teil des Problems

Männer sehen die Notwendigkeit für Kinderbetreuung immer noch erst dann, wenn Frauen ins Spiel kommen. Als würden die Kinder an denen drankleben. Als sei Betreuung immer noch in erster Linie deren Aufgabe. Freunde, diese Denkweise ist Teil des Problems, warum sich weniger Frauen als Männer in der Politik – und im Beruf – engagieren!

Freunde, diese Denkweise ist Teil des Problems, warum sich weniger Frauen als Männer in der Politik – und im Beruf – engagieren

Wir Frauen haben zu wenig für die paritätische Betreuung im Privaten gekämpft, sagt meine Mutter, als wir am Telefon darüber schnacken. Sie und ihre Kommilitoninnen und später ihre Kolleginnen hätten für Kinderbetreuung an der Uni oder am Arbeitsplatz gestritten, für Teilzeit, für Modelle, die ermöglichten, dass Frauen auch arbeiten konnten. Auch. Neben der Betreuungsarbeit. Denn all diese Modelle zielten stets auch darauf ab, dass sie Mann nicht berührten. Er konnte weiter­arbeiten wie bisher. In Vollzeit.

Ihre Appelle, diesen Streit in die Partnerschaften zu tragen, seien überhört oder ignoriert worden, sagt meine Mutter heute. Viele Mütter hätten ihre Kinder auch nicht einfach den Vätern überlassen. Und so kämpften viele Väter nicht für ihr Recht auf Kinderbetreuung. Gab ja keinen Druck. Stattdessen machten sie es sich in diesem Modell gemütlich.

Wohin das unter anderem geführt hat, hat Josef Zweimüller von der Uni Zürich gerade untersucht: „In Deutschland verdienen Mütter zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes im Schnitt 61 Prozent weniger als im letzten Jahr vor der Geburt“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. „Für Frauen sind Kinder beim Gehalt eine Strafe.“ Bei Männern gibt es solch einen Effekt übrigens nicht. Warum? Siehe oben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.