Kolumne Lost in Trans*lation: Schreiben und überleben

In Deutschland gibt es nicht nur geflüchtete Akademiker*innen. Es gibt auch trans Journalist*innen, die ums Überleben im Exil kämpfen.

Demo am 03.05.2017 in Berlin für Journalisten in Haft

Freiheit für alle Journalisten in Haft: Demo in Berlin Foto: dpa

Vor einigen Tagen hat der Tagesspiegel einen Artikel über die Akade­miker*innen für den Frieden in Berlin veröffentlicht, die gezwungen waren, die Türkei zu verlassen. In dem Artikel stand, dass die Wissenschaftler*innen unzufrieden mit den prekären Arbeitsbedingungen seien: Obwohl sie seit ungefähr drei Jahren an deutschen Universitäten arbeiten, sind die Aka­demiker*innen deswegen mit einer Pressemitteilung über ihre Zukunftssorgen an die Öffentlichkeit gegangen.

Es gibt auch Journalist*innen, die aus ähnlichen Gründen aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind. Wie steht es um sie? Während viele Akademiker*innen ein Stipendium erhielten, haben die meisten Journalist*innen eine solche Chance nicht bekommen. Besonders, wenn Sie eine trans Journalistin sind, ist es nahezu unmöglich, von Chancengleichheit und gleichen Arbeitsbedingungen zu sprechen.

Obwohl ich seit ungefähr eineinhalb Jahren in Deutschland lebe, konnte ich keine finanzielle Unterstützung für einen Sprachkurs finden. Wenn Sie außerdem nicht in einer politischen Bewegung, Partei oder Organisation sind und unabhängigen Journalismus machen wollen, haben Sie es schwer. Niemand setzt sich für Sie ein, Sie bekommen keine krankenversicherte Stelle in den Redaktionen und sind prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt.

Davon abgesehen sieht es leider nicht so aus, als ob sich die in der türkischen Journalismusbranche tief verankerte toxische Männlichkeit mit dem Umzug nach Deutschland ändern wird. Meine Kolleg*innen, die in Europa mit Vertrag und Versicherung in türkischsprachigen Medien arbeiten, sind nahezu alle cis Männer und cis Frauen. Aber sind wir nicht alle wegen der Repressionen des totalitären Systems geflohen?

Das größte Gefängnis der Welt

Ein armenischer queerer Journalist, der in der Türkei bei der inzwischen geschlossenen oppositionellen Zeitung Taraf arbeitete, muss sich im Berliner Exil allein durchkämpfen. Vor ein paar Monaten fand in Berlin eine Veranstaltung zur Pressefreiheit in der Türkei statt. Die internationale Medienorganisation, die das Panel organisierte, lud einige Journalist*innen aus der Türkei ein.

Doch Journalist*innen im Exil, die queer, armenisch, jüdisch sind oder zu einer anderen Gruppe gehören, die in der Türkei von Erdoğan ausgegrenzt wird, wurden nicht eingeladen. Es kann nicht sein, dass wir Journalist*innen mit diesen Identitäten die Kämpfe, die wir in der Türkei geführt haben, um in den Medien unseren Platz zu bekommen, nun hier noch einmal führen müssen.

Niemand will seine Stadt, seine Karriere, seine Familie, Freund*innen, Geliebten zurücklassen und in einem anderen Land im Exil leben. Wir alle waren gezwungen, die Türkei, das weltweit größte Gefängnis für Jour­nalist*innen, zu verlassen. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam dafür einzustehen, dass wir alle die gleichen Arbeitsbedingungen bekommen. Und zuletzt: Es gibt trans Journalist*innen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.