Kolumne Liebeserklärung: Das haarige Testosteronpaket

Der Schauspieler Burt Reynolds ist tot. Jetzt weinen auch die, die nun nicht mehr seinen beeindruckenden „chest muff“ streicheln können.

Zeichnung: Eine Figur mit Herz über dem Kopf hält eine riesige Blume in der Hand

Burt Reynolds hat das Brusthaar in Ehren ergrauen lassen Illustration: Tom

Boah, welch ein Bart, welch eine Brust, was für Beine. Das mag jetzt etwas oberflächlich klingen, Verzeihung, aber man ist ja auch nur eine Frau. Oder ein Mann. Oder nichts von beidem. Burt Reynolds, das haarige Testosteronpaket (und damit ist seine Rolle als Testosteron in Woody Allens „Was Sie schon immer über Sex wissen wollten“ gemeint), wirkte flächendeckend sexy.

Wer sich nicht stante pede ranwanzen wollte an Reynolds’ lasziv ausgestreckten nackten Körper, dessen Grenzen auf dem ikonischen, 1972 entstandenen Foto aus der Cosmopolitan beeindruckend organisch mit dem Bärenfell verschwimmen, auf dem er liegt, der hat wohl noch nie gefroren. „Chest muff“ nennt man das, was Burt Reynolds rumpfoberhalb und kopfunterhalb stolz über den Muskeln präsentiert, und ja, jener „chest muff“ schränkte ihn auf gewisse Art ein: Ein Sexsymbol, davon sangen und singen seine Kolleginnen beständig Lieder, hat es schwer, für andere Qualitäten gesehen zu werden.

Spielen konnte der Mann nämlich ebenfalls, nicht nur in Abenteuerfilmen der 1960er und 1970er, in denen der Schnauzbart (als Andeutung der haarigen Restzustände seines Körpers) eine kaum hinterfragte Männlichkeit und Potenz symbolisierte; sondern auch im grandiosen Paul-Thomas-­Anderson-Drama „Boogie Nights“ von 1997. Hier setzt Burt all das ein, was ihn jahrelang auf die Figur des Action-Machos festlegte, um in einer sensiblen Charakterstudie zu zeigen, was aus einem solchen Mann im Alter wird: Der (bestimmt) griffige „chest muff“ mutierte plötzlich zur besten möglichen Verkleidung – es kann eben anstrengend sein, ständig Erwartungen zu erfüllen, vor allem in Sachen Testosteron.

Reynolds hat das Brusthaar in Ehren ergrauen lassen, den Schnauzer zum Vollbart ausgeweitet, hat auch als Silberrücken noch nach Qualität gesucht und sie ab und zu gefunden. In dem anrührenden Film „Dog Years“ von 2017 etwa, in dem er einen vergessenen Ex-Filmstar spielt (!), dem nach Jahrzehnten mal wieder ein Preis verliehen werden soll. Nach langem Überlegen entscheidet er sich, den Preis anzunehmen, nur um festzustellen, dass es sich um einen popeligen Hinterzimmer-Videotheken-Nerd-Award handelt. Hätte man ihm doch nur einmal das Brusthaar kraulen dürfen! Aber der Zug ist jetzt leider abgefahren.

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