Kolumne Liebeserklärung: Einfühlsam und zurückgenommen

Von der peinlichen Popdiva zur charmanten Flüchtlingshelferin. Mögen die Leute doch spotten. Wir lieben dich, Sarah Connor.

Sarah Connor

Hat Deutschland einiges zurückzugeben: Sängerin Sarah Connor. Foto: dpa

Einst warst du diese blonde Pop-Diva, nie ganz ernst zu nehmen. Eher peinlich. Räkeltest dich halbnackt durch deine Videos, stolpertest von einer TV-Reality-Show zur nächsten und fülltest die Klatschblätter mit neuen Frisuren, neuen Männern, neuen irgendwas. Du hast einiges gut zu machen. Musst Deutschland viel zurückgeben, nachdem du auch noch die Nationalhymne vor einem Millionenpublikum vergeigt hast.

Und jetzt können wir uns plötzlich nicht mehr dagegen wehren, dich zu lieben. Erst entdeckst du deine Muttersprache und schenkst uns mit “Wie schön du bist“ den Ohrwurm des Jahres – und lieferst nebenbei Caroline Kebekus die Vorlage für ihre wunderbare Anti-Nazi-Version “Wie blöd du bist“ – dann mischst du dich charmant in die Flüchtlingsdebatte ein.

Dabei wolltest du das gar nicht. Wolltest nicht dein persönliches Engagement öffentlich machen. Doch Boulevardmedien lauerten in der vergangenen Woche vor deinem Haus, fotografierten deine Kinder, wie sie mit Flüchtlingskindern spielten, fragten deine Nachbarn aus. „Normalerweise ignoriere ich diese Medien, diesmal aber kann ich es nicht.“ Denn die syrische Familie, die bei dir wohnt, wurde in die Öffentlichkeit gezerrt. Du willst sie schützen, „vor Spekulationen, Gerüchten und womöglich auch Anfeindungen“ und bittest darum, ihre Privatsphäre zu respektieren.

Das schreibst du jetzt in der Zeit, prominent auf Seite 5. Du erklärst, weshalb du vor vier Wochen eine Frau und ihre fünf Kinder bei dir aufgenommen hast, was das mit deiner Familie macht, wie ihr euch verständigt, was ihr voneinander lernt. Einfühlsam und zurückgenommen liest sich das.

Mögen die Leute spotten, sich reflexhaft fragen, wer dein Ghostwriter war. Scheiß drauf. Wenn du jetzt noch Abstand nimmst von so unliebsamen Zeitgenossen wie Xavier Naidoo und Andreas Gabalier, ja dann, liebe Sarah, dann wird unsere Liebe zu dir gar uneingeschränkt.

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Jahrgang 1984, hat Journalistik und Soziologie in Leipzig studiert. Seit 2009 ist er bei der taz. Nach seinem Volontariat war er Redakteur in der sonntaz, bei taz.de, bei taz2/Medien und im Inlandsressort. Jetzt Ressortleiter der wochentaz.

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