Kolumne Jung und Dumm: Die jungen Leute und das Unbenehmen

Wie schön war die Jugend früher. Damals wollte sie nur Kekswichsen veranstalten und Kaugummis aus Automaten klauen – heute will sie alles zerstören.

Kekse in einer Auslade

Für die einen sind das leckere Kekse, für die anderen – nun ja, lesen Sie selbst Foto: unsplash/Clem Onojeghuo

Macht man eigentlich noch Kekswichsen? Oder gibt es dafür auch schon eine App? Und was ist mit Kaugummiautomaten? Wie viele von uns tragen stolz auf ihren Armen die Narben vom gewaltsamen In-den-Ausgabeschlitz-um-die-Ecke-hoch-zum-Füllbehälter-Greifen-und-trotzdem-nicht-Rankommen? Und wie soll die kommende Generation ohne diese prägenden Erfahrungen nur aufwachsen? Es sind diese und andere Fragen, die sich verzweifelt die Älteren stellen angesichts der erdrutschartigen Gewinne und Verluste bei der Bremer Bürgerschaftswahl.

Aber auch andere Ältere wegen einer anderen Wahl wegen anderen Jüngeren (stellen sich andere, aber doch vergleichbare Fragen). Die Null- bis Dreißigjährigen, diese unisono irgendwie jugendlich (also dumm) seiende Rätselgruppe, gibt sie ihnen auf. Denn wie kann man sie verstehen? Was wollen sie? Und warum gucken sie so böse?

Es klingt wie eine Gruppe Zoobesucher vor dem Affengehege, was da an Meinung wieder übers Land gebreitet wird. Begreifen wir hingegen zum Beispiel das Video des auch uns vorher gänzlich unbekannt gewesenen Rezo mit dem Philosophen Jacques Rancière als Zursprachekommen derer, die vorher vom lógos ausgeschlossen waren, dann handelt es sich dabei um einen eminent politischen Akt.

Und dann mag auch das unmittelbar folgende Auf- und Überschäumen mit allerlei Erwartbarem und in seiner konkreten Peinlichkeit dann aber doch wieder Faszinierendem als polizeiliche Ordnungsmaßnahme gar nicht überraschen.

AKK will nicht alle töten

So will dann auch Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich mit dem Schäumen auskennt, prompt das Internet verbieten. Das ist natürlich Quatsch, am liebsten würde sie alle umbringen, die nicht konservativ und aus dem Saarland sind, und ja, klar ist das Satire. Nochmal in aller Deutlichkeit: Annegret Kramp-Karrenbauer möchte selbstverständlich nicht alle umbringen, die nicht konservativ und aus dem Saarland sind. Das dann doch nicht.

Aber seltsam macht es sich aus, wenn man bedenkt, wie wohl eine Angela Merkel, Jahrgang 1905, auf das alles reagiert hätte. Mit Dialog nämlich, was gut ist und, anders als blauhaarige Fakten-Vorwürfe, die Gemüter beruhigt; und schaut man nochmal ihre Interviews mit dem schildkrötigen Besserwisser LeFloid (man hört trotz allem nicht auf, sich zu fragen, wie groß die Portion Beliebigkeitstoleranz ist, die unsere Kinder bei ihrem Internetfantum an den Tag legen (müssen?)) oder dem wackelkontaktigen Statisten-Quartett vor der letzten Bundestagswahl an, dann fällt einem durchaus auf, wie gespannt man gewesen wäre, zu erfahren, was es noch so alles von ihr zu erfahren gäbe, nachdem man schon erfahren hat, dass sie, Merkel, ein Lieblings-Emoji besitzt.

Das war ja eine Jugend, mit der man durchaus über Politik reden konnte, Dialog, was gut ist und die Gemüter beruhigt. Aber nun will sie ja lieber zerstören, kaputtmachen. Und wenn auch nur ein bisschen.

Darauf einen Kaugummi. Um Kekse können sich die Erben kümmern.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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