Kolumne Jung und Dumm: Coming out of a twentysomething

Ich bin 20 geworden. Auf dem Bild schaue ich ernst, vielleicht auch eher ausdruckslos. Und dann muss ich noch etwas sagen.

junge menschen einst

Auch junge Menschen können es weit bringen Foto: Maine Township High School District 207/dpa

Heute ist meine Jugend gestorben. Gut, genau genommen: nicht heute – klingt halt besser. Zeitung muss ja aktuell sein und so (Make America Ypsilanti Great Again!!). Also: Seit Samstag bin ich zwanzig.

Schauen Sie in das böse Gesicht jenes dünnen Jungen auf dem Foto, und Sie werden merken, wie es noch ein Stück ernster zurückschaut. Ernster wegen Altersflecken, postironisch, Putin; aber auch, weil jede*r, der nach ein paar rohen Chiasamen zu viel „Teil einer Jugendbewegung sein“ und also die „riesige Verschwörung des Jahrgangs 1951“ (Welt, Hannah Lühmann) respektive 1971, beenden möchte, weil Fotos mit möglichst wenig Gesichtsausdruck zur Selbstvermarktung nicht mehr reichen, sich mit einer voll automatischen soziologischen Seeleninspektionsmaschine zur ganze Großfamilien finanzierenden Generationenerforschung konfrontiert sieht, gefühlige Statements dazu unter protegierendem Lächeln erwünscht, Entrinnen unmöglich, Degeneration zwangsläufig. „Die aktuelle Sinus-Studie spricht hier von der Mainstream-Jugend, die nicht rebellieren will und sich anpasst“, am meisten an die aktuelle Sinus-Studie.

„‚Während Multitasking ihre Stärke ist, fällt es ihnen schwer, in langen Zyklen zu denken und sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. Es fehlt ihnen an Durchhaltevermögen‘, sagt Hurrelmann“ vom Horoskopnotdienst, nein, der „Shell Jugendstudie“ über meinesgleichen, die „Generation Z, wie Zupergroße-Mitnehmtüte“, hui, da hinten eine fliegende Katze, äh, ja, Generation, was auch immer die einen soll, außer jene „Gleichaltrigen“ zu sein, mit denen früher immer gespielt werden musste, und in egal welcher Lebenslage von den Alten gebeten zu werden, doch den Beamer/Medienwagen/Toaster/Volksempfänger anzuschalten.

„Uns eint die Panik“, hilft Zeit Online der „Generation Z“ wie Zeit Online „Generation Z“ schreiend aus, und, oh ja, ich spüre diese Panik, vor allem vor Zeit Online. Dabei dachte ich immer, das Einzige, was uns buntbehosten Schönfiltrierten Angst macht, sei, dass selbst Jan Böhmermann irgendwann sterben muss (fürchten wir).

Richtiges Leben in der falschen Badewanne?

Doch es kommt noch schlimmer: „Wer glaubt, mit zwanzig ausgewachsen zu sein, irrt. Ja, der Körper sprießt nicht mehr in die Höhe, der Penis wird nicht mehr länger, die Brüste werden, zumindest bis zu einer Schwangerschaft [!], nicht mehr größer.“ Und das sagt ihr mir alles erst jetzt? Die Suche nach Antworten ist so spürbar wie das Ticken einer Uhr für Menschen, die in eine Uhr gezogen sind. Antworten auf Fragen wie: „Gibt es ein richtiges Leben in der falschen Badewanne?“ und „Wenn wir die Kontrolle verlieren und uns vorstellen, es gäbe keine kontrollierenden Strukturen, sind die dann weg?“.

Nichts weniger als der „gesellschaftliche […] Zusammenhalt“ ist nämlich in Gefahr, durch gutgrünmenschmediale Gayacht-Lehrplandiktate, hemmungslosen „Egoismus“, „Pflicht-Homo-Ehe“ und „vegane Lederpeitsche […] aus alten Fahrradschläuchen“.

Weg mit der Kontrolle, weg mit den Strukturen. Ich muss da noch was sagen: Ich bin ein schwuler Mann.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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