Kolumne Im Augenblick: Die Spitze der Weintraube

Erstmals habe ich einen Pass und ich habe meine ersten Ferien, seit ich in Deutschland bin. Also will ich nach Schweden, um meine Schwester zu besuchen.

Eine Frau mit einem Schlitten geht über eine schneebedeckte Wiese.

Ferien in Schweden? Derzeit soll dort noch viel Schnee liegen Foto: dpa

Wäre es möglich, dass ich Urlaub mache diese Woche? Ich kann die Kolumne nicht schreiben.

Naja, möglich schon, aber ziemlich ungünstig: Die Kolumne erscheint doch ohnehin nur alle 14 Tage und erst seit Ende Januar, besser wäre, wir lassen uns was einfallen …

Ja aber ich kann wirklich nur ganz schlecht, weil: Ich muss nach Schweden.

Nach Schweden?

Ja, meine Schwester wohnt in Schweden, in Gävle.

Gävle?

Ja. das ist im Norden, so eine und eine halbe Stunde von Stockholm weg. Ich würde von Hamburg aus nach Stockholm fliegen, das ist aus irgendwelchen Gründen das Günstigste. Von dort aus fahren wir dann zu ihr nach Hause. Es soll ziemlich viel Schnee liegen, sagt sie, man kann Ski fahren oder Schlitten.

Ist sie deine einzige Schwester?

Nein, insgesamt sind wir vier. Ich bin der jüngste, die Spitze der Weintraube, sagt man bei uns …

…weil die am meisten Sonne abkriegt?

… Möglich. Hoffentlich! Vielleicht aber auch, weil die Vögel sie schneller wegpicken? Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder. Aber die ganze Familie war zuletzt vor fünf Jahren zusammen – und da auch nur für ein paar Minuten: Wir sind ziemlich verteilt. Mein Bruder ist noch in Syrien, und die Kinder von ihm habe ich noch nie gesehen. Meine Schwester und meine Nichte habe ich – also das ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her, dass ich die zuletzt gesehen habe. Meine Nichte war damals noch ein Baby, jetzt kann sie schon Schlitten fahren. Meinen Neffen kenne ich noch gar nicht. Meine Schwester hat mich mal besucht, kurz nachdem ich hier angekommen war, aber ich konnte ja nie dorthin. Weil ich ja keinen Pass hatte. Und jetzt habe ich Ferien, …

Semesterferien?

Ja, im Studienkolleg. Das sind meine ersten Semesterferien, eigentlich meine ersten Ferien überhaupt hier: Davor hatte ich meinen Deutschkurs, davor war ich an der Hamburg Media School in so einer fachlichen Hintergrund- und Weiterbildungsmaßnahme und davor hatte ich als Dolmetscher gearbeitet, und eine richtige Pause gab es dazwischen nicht.

Dann lass uns doch einfach die Kolumne als Protokoll darüber schreiben, wie du mir erzählst, dass du nach Schweden musst.

Geht das denn auch?

Keine Ahnung.

Und du stellst mir Fragen und schreibst es auf?

Ja, oder du erzählst einfach, zum Beispiel über Schweden, was du so über Schweden weißt.

Ich weiß gar nichts über Schweden, außer dass die Leute dort sehr glücklich sind, da gibt es so einen Bericht: In dem belegen die Schweden den dritten Platz, weltweit. Friedlich soll es da sein, und dass Geflüchtete dort ziemlich viele Rechte haben, weiß ich auch. Und dass die eine sehr berühmte Autorin, wie hieß sie noch? – Astrid Lindgren –, dass in einem von ihren Büchern etwas geändert worden ist.

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Ismail Ismail, pendelt zwischen Lüneburg, Oldenburg und Hannover, wo er sich auf sein Studium vorbereitet. Was ihm unterwegs widerfährt und wem er begegnet, schreibt er hier auf.

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