Kolumne Henningway: Das Alter und der Dunking

Älter gewordene Basketballspieler kann man am langsamen Gang erkennen. Aber manchmal gelingt auch mit 50 noch ein letzter Dunk.

Der ehemalige Basketball-Bundesligaspieler Wilbert Olinde jongliert 2008 in seinem Büro in Hamburg am Schreibtisch mit zwei Basketbällen

Der ehemalige Basketball-Bundesligaspieler Wilbert Olinde 2008 in seinem Büro in Hamburg Foto: dpa

Woran erkennt man älter werdende oder älter gewordene Basket­ballspieler, gerade die Großen von ihnen, die höherklassig ­gespielt haben? An einem ganz langsamen und schweren Gang, der gerne auch gehumpelt oder ­geschleppt daherkommt. Wie in Zeitlupe gehen sie. Als ob sie Kinder wären, die zum Ende des Tages auf dem Weg zu einer Doppelstunde Chemie sind. Woran liegt das?

Nun, zum ­einen haben sie schlicht und einfach das Aktive ­hinter sich, wozu also die Aufregung um die Bewegung? Zum anderen sind sie einfach und schlicht im Eimer. Es sagt einem ja auch keiner, auf welch körperliches Hochrisikounternehmen man sich da einlässt als Spieler einer Sportart, deren Ziel auf 3,05 Meter in der Höhe hängt, wo es also hoch hinaus und wo es stets die Halle rauf und runter geht.

Woran erkennt man Wilbert Olinde? An der Würde, mit der er das eben Gesagte ­umkleidet. Wilbert Olinde ist eine Ikone des deutschen Basketballs. Ich bin mit ihm ­aufgewachsen, ihn habe ich im Fernsehen ­bewundert, ­bevor ich für kurze Zeit gegen ihn und mit ihm in der Nationalmannschaft ­gespielt habe. ­Wilbert ist ein Weltklassebürger: ein freundlicher, kluger und lustiger Mensch. Und smooth ist er.

Der Amerikanist Christoph Ribbat hat ein Buch über ihn geschrieben, „Deutschland für eine Saison“ heißt es und beschreibt, wie Wilbert Ende der 70er zum Basketballspielen nach Deutschland und nach Göttingen kam; es beschreibt, wie sich das Leben für einen jungen afroamerikanischen Menschen in einer westdeutschen Universitätsstadt ­darstellte und anfühlte; es beschreibt, wie der Basketball damals in Deutschland gespielt und gelebt wurde.

Er wollte nur eine Saison bleiben

Es beschreibt, wie und warum Wilbert (der nur eine Saison bleiben wollte) geblieben ist und deutscher Staatsbürger wurde. Es erzählt aber auch, wo er herkommt, es beschreibt den Lebensweg von ihm und seiner Familie in den USA. Eine transatlantische Reise entsteht da, vom Autor vielschichtig und klug komponiert und exzellent geschrieben.

Dass das Buch so gut ist, das wusste ich noch nicht, als ich Wilbert im Hotel zum ­Frühstück treffe. Ich sage zu ihm, Mist, ­Wilbert, ich muss unbedingt das Buch über dich lesen! Am Abend zuvor hatte das ­Allstarspiel der ­Basketball-Bundesliga stattgefunden. Wir beide saßen dort zum wiederholten Mal in der Jury des Dunking-Wettbewerbs. Ich ­erzähle ihm, dass mein persönlicher ­Potenztest, der gemachte Dunking, ­mittlerweile ein ­echter Test geworden ist. Wilbert versteht.

Der Autor ist ehemaliger Basketballnationalspieler und Vizepräsident von Alba Berlin

Und ­erzählt mir, wie er mit 50 den letzten Dunk seines Lebens gemacht hat. Es war bei ­einem Feriencamp. Die Kinder forderten wie immer diesen Dunk: Mach mal Dunking! ­Wilbert ­erzählt, wie er ­ihnen sagte, ich ­mache jetzt einen, und das wird mein ­letzter sein. Ich ­verstehe. Damals wusste ich noch nicht, dass ich im Herbst vor rund 80 ­Schülern ­einen Dunking würde machen sollen (nicht ­wollen): mach mal Dunking!, und dreimal in Folge kläglich daran ­scheitere.

Schulturnhalle. Rhythmisch klatschende Kinder. Anlauf. Scheitern

Hier das Bild: Schulturnhalle. Rhythmisch klatschende ­Kinder. Anlauf. Scheitern. Ruhe. Rhythmisch klatschende Kinder … Ein Junge stellte sich dann Gott sei Dank neben mich, ich atmete schwer, und er flüsterte mir ins Ohr, dass ­dieser Korb ­erwiesenermaßen zu hoch sei, ich solle doch, Fingerzeig, zu dem da gehen. Mein letzter Dunking. Applaus. Das werde ich ­Wilbert beim nächsten Allstarspiel erzählen. Falls wir wieder in der Dunking-Jury sitzen sollten.

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