Kolumne German Angst: Zu viel klischeehafte Weiblichkeit

Die Sängerin Jelena Karleuša ist in Serbien ein Star, wird aber auch beschimpft. Dabei kann man von ihr viel über die Inszenierung von Geschlecht lernen.

Jelena Karleuša macht ein Selfie mit ihrer Handykamera

Zu blond, zu schrill, zu laut? Jelena Karleuša in einem Fußballstadion Foto: Seskimphoto

„Du hast es geschafft“, sagte mir mal voller Anerkennung ein guter Freund. „Du musst nicht deine Brüste zeigen, sondern zeigst die anderer Frauen.“ Ich verstehe, was er sagen wollte: Du Feministin! Was ich aber höre, ist: Du reproduzierst stereotype Darstellungen von Weiblichkeit! Du tust der Sache einen Bärendienst! – Das fällt mir ein, als ich mich an stiernackigen Türstehern vorbeidrücke, um eine der Frauen zu sehen, über die ich gelegentlich spreche, im Zusammenhang mit Popkultur, Körperpolitik und Nationalismus: Jelena Karleuša. In Serbien und eigentlich ganz Südosteuropa ist sie ein Megastar. Genre: Turbofolk.

Schon im Vorfeld, als wir unter einer dubiosen Handynummer die Karten reservieren, kommentieren Bekannte den Besuch beim Karleuša-Konzerts. Die einen: toll! Die anderen: Das ist sexistisch / nationalistisch / Postbürgerkriegschic / schlecht / Schäm dich. Ich gehe zu diesem Konzert auch wegen der Musik. Aber vor allem, weil mir Karleušas Too Much imponiert. Sehr.

Zu blond. Zu schrill. Zu laut. Zu lange Beine, zu große Brüste, zu gebräunt, zu wenig bekleidet. Zu viele Insignien klischeehaften Weiblichkeit. In Serbien wird sie darum oft als Transe beschimpft, oder als Hysterikerin, als Hure, als Antichrist. Irgendwie spielt sie damit, wettert gegen die Kirche und übernimmt die Patenschaft für die lange verbotene Gay Pride in Belgrad.

Gleichzeitig gilt sie vielen als role model. Auf meinen Lesungen ist die deutsche queer-Community stets fasziniert von Karleuša. Für sie ist klar: hier gibt es einen theoretischen Unterbau. Verwirrend. Frei nach Butler kann man hier die performative Inszenierung des Geschlechts sehen. Und wie sie fehl gehen kann. Wie ein Zuviel für die einen die Brechung mit diesem dichotomen Modell einer Annäherung an das Ideal von weiblich versus männlich darstellt, für die anderen authentische Weiblichkeit.

Eine große Brechung

Der Effekt lässt nicht lange auf sich warten. Trotz schicker Klamotten sprengen wir hier das Modell der akzeptierten Weiblichkeit. Keine Highheels. Keine Schminke. Kleine Biere. Wir werden nicht einmal bedient. Denn auch hier regiert das Zuviel: zu viele schwarz gekleidete Bodyguards. SUVs. Die Wodka-Flaschen, die in mit Tischfeuerwerk bewehrten Eiswannen an Tische geschleppt werden, fassen 1,75 Liter. Außerdem sind sie von unten mit LEDs beleuchtet. Was auch immer die VIP-Partygäste tagsüber tun, hier regieren Glamour und Überfluss. Kein subtiles Spiel mit Codes, sondern ein Eins-zu-eins-Modus, in dem gezeigt wird, was man sein will: reich, schön, hetero. – Labels. Pelze. Red Bull-Diet.

Diesmal jedenfalls ist auch auf der Bühne wenig Platz für Subtilität. Keine mit Regenbogenfahnen aufmarschierenden halbnackten Jungmänner. Nicht einmal der Song „Ein Mann der Frauen hasst“ läuft vom Band, eine Rape-and-revenge-Story, in der Karleuša mit Medusenhaupt übergriffigen Männern nachstellt. Stattdessen: ein Medley der Jugo-Stars von Bijelo Dugme bis Lepa Brena. Immerhin das so eine große Brechung, gilt der Turbofolk doch als serbisch-nationalistisch – aber dazu ein andermal.

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Vollzeitautorin und Teilzeitverlegerin, Gender- und Osteuropawissenschaftlerin.

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