Kolumne Gefühlte Temperatur: Vive le Nahverkehr!

Die Pariser*innen sind für jede Form von Nahverkehr berühmt. Mit der Organisation der Klimakonferenz übertreffen sie sich jedoch selbst.

Ein Shuttlebus steht an einer Haltestelle.

Einer der vielen Shuttlebusse – mit elektrischem Antrieb Foto: reuters

„Unglaublich“, sagt Steve Sawyer und klettert aus dem Bus, um zum Zug zu gehen. „Wie die Franzosen das hier organisiert haben, alle Achtung. Hätte ich ihnen nicht zugetraut.“ Der Mann weiß, wovon er spricht. Als Urgestein der Öko-Lobby hat er seit Jahrzehnten einen Umwelt-Gipfel nach dem anderen erklommen, früher für Greenpeace, heute für die Windbranche. Und oft genug unter der chaotischen Organisation gelitten, die den guten Absichten der Gastgeber diametral gegenüberstand.

Auch ich habe schon häufig geflucht. Letztes Jahr in Lima quälten sich die COP-Busse jeden Morgen über eine Stunde durch das Verkehrsgewühl. In Doha karrten uns die Gastgeber in Reisebussen durch die Wüste, bis am Horizont als Fata Morgana das Konferenzzentrum auftauchte. In Durban ging es im laut-chaotischen, aber sehr lustigen Sammeltaxis durch die Stadt. Und in Cancún stoppten unsere Extrabusse alle paar Kilometer vor den Panzersperren des Militärs, das sich im Drogenkrieg befand. Wir verstanden, wo die Klimadiplomaten ihre unendliche Geduld lernten: auf dem Weg zur Arbeit.

Hier jedoch: Vive la France! Wir wussten, dass die Pariser*innen für jede Form von Nahverkehr berühmt sind. Hier aber übertreffen sie sich selbst: Wir gehen jeden Morgen die paar Schritte zur Gare du Nord, folgen den grünen Pfeilen „COP21“ auf dem Boden und weichen den eifrigen jungen Hostessen in schicken grünen Anoraks aus, weil wir den Weg ja schon kennen. Die COP hat uns einen Pass Navigo geschenkt, der uns zwei Wochen lang mit Bussen und Zügen umsonst fahren lässt.

Hinter der Sperre im Untergeschoss drängt sich tout Paris, aber alle paar Minuten rollt ein Vorortzug RER heran, der sehr zu Recht „Röhr“ ausgesprochen wird. Drei Stationen weiter aussteigen, in die Shuttlebusse und zum alten Flughafen von Le Bourget. Selbst den Sicherheitscheck absolvieren Hunderte von Helfern schnell, freundlich, bestimmt. Bonne journée und ab in die Konferenz. Da hat die französische Diplomatiemaschinerie nichts in der Regie der Konferenz dem Zufall überlassen: Liberté, Egalité, Efficacité.

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Vor allem ist Paris eine so andere Welt als Kopenhagen 2009, dass bei manchen Hoffnung aufkeimt: Damals herrschte totales Chaos bei der Anmeldung, tagelang stand Besucher in klirrender Kälte vor dem Tor. Die Stimmung war schon mal mies. Wenn Paris scheitert, liegt es zumindest nicht an der Organisation. „Wäre Kopenhagen so organisiert gewesen wie das hier“, sagt Sawyer und wuchtet seinen Rucksack auf die Schultern, „wären wir jetzt im Klimaschutz deutlich weiter.“

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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