Kolumne Durch die Nacht: Tschüss sagen, Taschentuch raus

Nur weil eine Band auf Abschiedstournee geht, muss das noch nicht das letzte Mal sein. Andererseits: Weiß man's wirklich?

Die Musiker von Kiss, mit Schminke

This could be the last time, maybe the last time… oh no, falsche Band Foto: dpa

Dass sie einem eine wichtige Entscheidung einfach abnimmt, dafür muss man der Hardrockband Kiss dankbar sein, finde ich. Hin oder nicht hin zu deren nächstem Konzert Anfang Juni in der Waldbühne?

Natürlich hin.

Denn es wird ihr letzter, ihr wirklich allerletzter Auftritt in Berlin sein. Die Band befindet sich schließlich gerade auf ihrer „The End of the Road“-Welttournee, und dieses Motto soll tatsächlich wörtlich genommen werden: Wegstrecke zu Ende gegangen, Ziel erreicht. Danach ist Schluss mit Kiss. Schminke runter, die ganze Pyrotechnik ab in den Keller. Bye, bye, forever.

Gut, ich bin ja auch nicht naiv. Ich weiß sehr wohl, dass Abschiedsbekundungen auf Abschiedstourneen von Popmusikern so verlässlich sind wie die Ansagen Berliner Politiker, endlich mal die Nöte von Mietern ernst zu nehmen, deren Wohnungen gerade an eine Immobilienfirma mit Sitz in Luxemburg verkauft wurden.

Nach dem Abschied das Comeback

Trotzdem falle ich auch immer mal wieder auf diese Nummer herein. Beim Berliner Goodbye-Konzert der Band Blumfeld war ich auch. Tschüss sagen, Taschentuch raus, ein letztes Mal „Verstärker“ live hören. Und dann: auf Nimmerwiedersehen. Aber denkste! Im Herbst starten Blumfeld ihre Comeback-Tour.

Ganz ausschließen möchte ich auch bei Kiss nicht, dass sie es sich noch einmal anders überlegen könnten. Einst verkündeten sie ja schon einmal, ihre Schminke abzulegen, um kurz darauf dann doch wieder mit ihren Schwarz-Weiß-Gesichtsbemalungen aufzutauchen. Aber die Mitglieder von Kiss gehen stramm auf die 70 zu, also bin ich mir doch recht sicher: Die gehen nach ihrer Tournee wirklich in Rente.

Anfang Juli kommt nun auch Neil Young nach Berlin, in die Waldbühne. Der ist inzwischen auch schon 73 Jahre alt. Ich kenne mehrere Leute, die sich bereits Tickets gekauft haben. Weil sie den Mann mit dem „heart of gold“ wenigstens einmal im Leben sehen wollen. Und wer weiß schon, ob es die Möglichkeit dazu wirklich noch einmal geben wird. Rockstars mögen zwar unsterblich sein, ihr Dasein ist dennoch endlich.

Auch ich liebe Neil Young, auch ich möchte ihn unbedingt mal live auf der Bühne erleben. Aber ich kann mich einfach nicht entscheiden: Ticket kaufen oder nicht? Wer weiß, vielleicht habe ich am 3. Juli um 18.30 Uhr schreckliches Kopfweh oder bin viel lieber am Badesee als in einer Freiluftarena, und dann sitze ich da mit meiner teuren Karte für das Konzert von Neil Young und ärgere mich bloß.

Rockstars mögen zwar unsterblich sein, ihr Dasein ist dennoch endlich

Vielleicht bin ich aber einfach auch bloß nicht Fan genug. Meine Nachbarn sind beide unbeirrbare Bewunderer der Komplex-Metal-Band Tool. Als vor mehr als einem halben Jahr mit dem Vorverkauf für deren Konzert Anfang Juni in der Mercedes-Benz-Arena begonnen wurde, hatten sie ungefähr 2 Sekunden nach Beginn der Ticketvergabe ihre Karten. Für die beiden war schon im vergangenen Jahr im Oktober klar: Egal was passiert, sie werden auf diesem Konzert sein.

Ich aber schaue mir an, wer in diesem Jahr sonst noch so aufspielt in Berlin: Bryan Ferry, Rod Stewart, alle machen sie einfach immer weiter. Wird schon gut gehen, denke ich mir also. Neil Young wird wiederkommen. Vielleicht schon nächstes Jahr. Hoffentlich dann endlich im Rahmen einer offiziell so ausgeschriebenen Abschiedstournee. In diesem Fall werde ich wirklich auf sein Konzert gehen.

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