Kolumne Die Couchreporter: Wir müssen über den Abschied reden

Wenn Fernsehserien enden, ist das so tragisch wie die Trennung von Take That. Ein Fall für die Seelsorge. Und Spin-offs sind auch keine Lösung.

Die Boyband Take That im Konzert 1994

Als Take That sich auflöste, gab es professionelle Hilfe. Und bei „Scrubs“? Foto: imago/BRIGANI-ART

Es ist fast vorbei. „The Book of Love“ von Peter Gabriel ist zu hören. J. D. verlässt ein letztes Mal das Krankenhaus „Sacred Heart“. Da sieht er – auf ein vor den Eingang gespanntes Bettlaken projiziert – seine Zukunft: Er sieht seine Hochzeit mit Elliot, Schwangerschaft, Weihnachten mit Kindern, Kollegen und Freunden, er sieht, wie sein Sohn und Turks Tochter ihre Verlobung bekanntgeben. „Scrubs“-Erfinder Bill Lawrence läuft ins Bild. In Hausmeistermontur. Er reißt das Laken ab und steckt es in einen Mülleimer. „Gute Nacht“, sagt er. Das Ende von „Scrubs“. Es war kitschig. Es war perfekt. Es war schrecklich.

Wenn Fernsehserien enden, ist das viel schlimmer, als wenn ein Film endet. Oder ein Buch. Es ist der einzige Moment, an dem man als mehr oder weniger erwachsener Mensch das Gefühl nachempfinden kann, das Teenager 1998 beim Ende der Boyband Take That hatten.

Nur dass bei Serienenden niemand Seelsorge-Nummern schaltet, so wie dereinst die Plattenfirma von Take That, der Musiksender Viva und die Samariter, die für ihre Notruf-Hotline sogar am Piccadilly Circus in London warben.

Dabei ist es heute genauso wie damals, als die Deutsche Presse-Agentur die Bravo, ebenfalls Anrufstelle verzweifelter Heranwachsender, befragte: Das Phänomen erklärte die Sprecherin damit, daß die Gruppe für viele der Lebensmittelpunkt war. „Und wenn sich der auflöst, ist es, als ob einer stirbt.“

Ersetze „Gruppe“ durch „Serie“ und „der“ durch „die“ – und schon passt es. Abgesehen davon, dass die Serienhelden nicht selten tatsächlich sterben (siehe: „Game of Thrones“).

Da man das Gefühl hat, dass sich mehr und mehr Menschen in Serienabhängigkeit begeben, gilt es, sich auch mit dem Thema Abschied zu befassen. So wie wir uns mit dem Tod beschäftigen sollten, weil halt geboren wird. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Ist es besser, wenn der Tod einen hart trifft (so wie bei „Breaking Bad“), weil man noch voll drauf ist? Oder sollte das Gift langsam ausschleichen (so wie bei „Mad Men“, wo man sich am Ende von Folge zu Folge quält und das Gucken mehr Anstrengung denn Vergnügen ist)? Und hilft ein Spin-off, quasi als Methadon?

Die letzte Frage lässt sich pauschal mit Nein beantworten. Noch schrecklicher als das Ende von „Scrubs“ war der Versuch, die Serie in eine neunte Staffel zu retten – mit neuem Setting, neuer Hauptdarstellerin, fast nur neuen AutorInnen. Nach 13 Folgen war Schluss. Zu Recht. Ganz ordentliche Spin-offs, wie das „Breaking Bad“-Prequel „Better Call Saul“ sind nicht mehr als Ausnahmen, die den Befund kaum tangieren. Messfehler.

Wenn Fernsehserien enden, ist das der einzige Moment, an dem man das Gefühl nachempfinden kann, das Teenager 1998 beim Ende der Boyband Take That hatten

Manchmal gucke ich mir noch alte „Scrubs“-Folgen an, obwohl ich alle schon drei- oder viermal gesehen habe und keine Pointe mehr überraschend kommt, so wie bei den „Nackte Kanone“-Filmen, die ja trotzdem immer wieder großartig sind. Das Rauskramen alter Serien ist vermutlich so eine Art Trauerarbeit. Müsste mir ein Psychologe mal beantworten. Oder ich rufe die damalige Sprecherin der Bravo an.

Und vielleicht ist die Hotline der Samariter ja auch noch geschaltet: „Hello this is Jürn speaking. Do you know ‚Scrubs‘?“

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