Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Zimmer frei, privat

„Bei mir werden Sie es gut haben!“, sagt dir Dame vor dem Bahnhof. Zwei Finger zeigt sie, für Deutsche zeigt sie drei: für ein Zimmer bei ihr für 63 Euro.

Putzen für die Touristen. Bild: ap

SOTSCHI taz | Lange haben wir jetzt schon nichts mehr über die miesen Unterkünfte für die in ihrer eigenen Wahrnehmung bedauernswerten Geschöpfe dieser Spiele gelesen – die Journalisten. Und viele Fragen bleiben weiter unbeantwortet. Wie hat es der Kollege geschafft, ein Hotelzimmer zu betreten, das keinen Boden hat. Fand er sich in der Kemenate einer Kollegin unter ihm wieder? War auch diese ohne Boden und er ist unmittelbar vor der Rezeption auf den harten Fliesen aufgeschlagen? Oder war am Ende alles gar nicht so schlimm?

Ich selbst hätte ganz gerne eine Horrorgeschichte meine Unterkunft betreffend erlebt, denke ich mir, als mich eine ältere Dame vor dem Bahnhof in Adler anspricht. „Zimmer zu vermieten“, steht auf einem Schildchen, an ihrem Mantelrevers. „Bei mir werden Sie es gut haben!“, sagt sie. Und zeigt mir zwei Finger. Das soll wohl der Preis sein. Als ich ihr sage, dass ich aus Deutschland komme, zeigt sie mir drei Finger. „Mit Frühstück“, sagt sie. „Haben Sie schon einmal armenisch gegessen?“

3.000 Rubel, 63 Euro. Das ist ihr olympischer Preis pro Nacht für das Zimmer – für einen Deutschen wie mich zumindest. „Ach, Sie haben schon ein Zimmer“, sagt sie, als ich ihr zeige, wo mein Hotel ist. „Dann brauchen Sie uns Mädchen ja nicht.“ Sie zeigt auf drei andere ältere Damen, die auch vor dem Bahnhof Zimmer feilbieten. „Schaut den an, der hat Millionen Dollar! Der wohnt in den neuen Hotels.“

Vor dem Bahnhof stehen die Honoratiorinnen auch, wenn keine Olympiade ist. Obwohl ihre Zimmervermietung inoffiziell ist, werden sie von den Milizionären nicht behelligt. Die Damen bessern ihre Rente auf. „400 bekomme ich im Monat. Das sind vier Pakete Butter“, sagt meine Gesprächspartnerin.

Ein Heim für Bauartbeiter

Von den Spielen hat sie schon profitiert, als die noch gar nicht eröffnet waren. Oft hätten Bauarbeiter bei ihr gewohnt. Das muss nicht immer einfach gewesen sein. „Wenn die wegen Frost oben in den Bergen nicht arbeiten konnten, dann waren sie immer betrunken. Ein Albtraum.“

Olympiatouristen waren auch bei ihr untergebracht. Drei Armenier. Wie viel die bezahlt haben, sagt sie nicht. Sie hofft noch, dass ich zu ihr ziehe, und will sich ihren Preis nicht versauen. Am Ende vertickt sie ihr Zimmer an eine Russin. Wie viel das Zimmer für sie kostet, verstehe ich nicht. Vielleicht fehlt ja der Boden in meinem Zimmer, wenn ich ins Hotel komme, denke ich mir. Ich weiß ja jetzt, wo man ein Zimmer findet.

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