Kolumne Das Gericht: Gastronomische Feuerspiele

Für die Pyrotechniker in der Küche gibt es ein geniales Spielzeug: den Crème-brûlée-Brenner.

Heutzutage wird doch nicht mehr flambiert, oder? Das Bild eines Kellners, der eine Kupferpfanne vor sich herträgt, aus der bläuliche Flammen züngeln, kommt mir in der Erinnerung wie eine nachkolorierte Fotografie vor: Irgendwo in Süddeutschland war das, und in der Pfanne lagen Schweinelendchen, mit Speck umwickelt und in einer Sauce mit grünem Pfeffer, die habe ich selbst oft mit Wodka flambiert. Was immer mit einem sattmachenden Stoß Adrenalin verbunden war, wenn der Alkoholdampf über der Pfanne zündete. Ist Jahre her. Und der graue Schatten über dem Herd, als mir mal der Wodka ausgekommen war, längst überpinselt. Die Wohnung hat neue Mieter. Nein, heute sehe ich in Gaststätten höchstens noch Kellner ein Glas Sambucca anzünden. Das wars mit der gastronomischen Flamboyanz. Möchte man meinen.

Die Pyrotechniker in der Küche haben längst ein neues Spielzeug. Ich natürlich auch: den Crème-brûlée-Brenner. Das ist so ein großes Feuerzeug, das waagrecht eine kleine Stichflamme erzeugt, um - wie der Name schon sagt - den Zucker auf der Crème brûlée in eine knackige Karamellschicht zu verwandeln. Was eine Crème brûlée ist, setze ich voraus. Die steht ohnehin auf vielen Menüs, sogar beim Inder.

Eigelbe, Milch und Zucker zu verrühren und die Mischung bei geringer Hitze stocken zu lassen, das haben schon die Römer beherrscht, sagt das Geschichtsbuch. Custard nennen das die Engländer, Nata die Portugiesen, Pudding sagte meine Oma. Als Füllung findet es sich in Berlinern und polnischen Paczki, und ob Flan, Crema Catalana (Spanien), Crema Inglese (Italien), Crème brûlée (Frankreich) oder Burnt Cream (Großbritannien) - es ist alles mehr oder weniger das Gleiche.

Bei mir liegt nun schon der dritte Brenner in der Schublade. Das liegt leider nicht an meinem Crème-brûlée-Konsum, sondern an der Technik. Es fing mit der Ausführung aus dem Tchibo-Regal an, inklusive Kindersicherung und zu regulierender Flamme. Doch selbst auf höchster Stufe war die Flamme so klein, dass der Zucker nur im Zeitlupen-Tempo schmolz. Die überteuerte Variante aus dem Küchenladen hingegen ließ sich minutenlang mit Gas betanken, ohne dass anschließend etwas zündete. Ein Leck im Tank. Das ich leider erst weit nach der Umtauschfrist entdeckte, denn wie gesagt, so oft gibt es Crème brûlée nun auch nicht. Ich habe anschließend ein bisschen recherchiert und bin in den Baumarkt gegangen. Mein dritter Flammenwerfer ist nun ein schnöder Bunsenbrenner, ganz ähnlich wie einst der im Chemieunterricht. Und eigentlich soll er eher dazu dienen, alte Farbe von Möbeln und Fensterläden abzulösen.

Und wenn man nun - wie ich - zusammengenommen knapp 80 Euro ausgegeben hat, um an ein gangbares Gerät zu kommen, dann sollte das schon etwas mehr können, als nur Eiercreme zu bräunen. Nach einigem Ausprobieren hat es sich aber auch anderweitig als äußerst nützlich erwiesen.

Stichwort "Peperonata": Paprikaschoten kann man mit dem Bunsenbrenner millimetergenau verkohlen, um sie anschließend zu pellen. Eine Freude. Oder aber bayrischen Schweinekrustenbraten: Noch etwas mit der Flamme drüber gegangen, knuspert und kracht die Schwarte erst so richtig im Mund. Auch um beim Grillen Kohle zum Glühen zu bringen, leistet das kleine Werkzeug gute Dienste. Er kann sogar den Grill ganz ersetzen. Vor ein paar Wochen sah ich den Koch in einem japanischen Restaurant damit rohen Thunfisch abflammen. Schmeckte, als ob die Steaks nur ganz kurz auf dem Rost gelegen hätten. Rare-medium.

Eine sicher etwas riskantere Einsatzmöglichkeit habe ich aber dann bei einer Abart von privater Event-Gastronomie entdeckt. Ich bin dazu übergegangen, meinen Gästen das Karamellisieren der Crème brûlée selbst zu überlassen. Natürlich, mit Feuer spielt man nicht. Deshalb erzähle ich vorher auch wahrheitsgemäß, dass nach einer neuen Studie einer englischen Versicherung Unfälle in der Küche signifikant angestiegen sind, seitdem dort die Bunsenbrenner Einzug halten. Aber es ist so: Der anschließende Adrenalinstoß macht augenblicklich einen Mordsappetit.

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